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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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könnte dich auch meinen Männern übergeben«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Mit deinen schweren Knochen und den langen Beinen entsprichst du sowieso nicht meinem Geschmack. Sind deine Füße auch so groß wie die eines Mannes?«
    Philippa wurde aus dem Mann nicht klug, und deshalb hatte sie Angst vor ihm. Er war ganz anders als ihr Vater. Der würde an seiner Stelle jetzt schon einen knallroten Kopf haben und sich die Lunge aus dem Hals brüllen. Dieser Mann dagegen sagte geläufig mal dies und mal das, was sie in gehörige Verwirrung brachte. Selbstverständlich wollte sie hier nicht nackt auf dem Tisch tanzen, damit Pater Cramble womöglich vor Schreck einen Herzanfall bekam. Anfänglich hatte sie sich bei dem Wortgefecht noch stark gefühlt. Aber da hatte sie sich wohl etwas vorgemacht. Daß dieser Mann Kinder, Hunde und Hühner nicht mit Fußtritten verjagte, bedeutete noch lange nicht, daß er ein Ehrenmann war. Jetzt zeigte er ihr sein wahres Gesicht. Sie öffnete den Mund, aber was herauskam, war wieder völlig unüberlegt und undiplomatisch.
    »Das hört sich so an, als hieltet Ihr mich für ein häßliches Mädchen.«
    Wie konnte sie nur so eitle Worte sprechen oder auch nur denken? Es schien, daß seine Unverschämtheiten sie stark getroffen hatten.
    Er lachte. Es klang böse. »Nein, das nicht. Aber du bist auch nicht so freundlich und sanft, wie eine Lady sein sollte. Nun laß dich mal ansehen! Du mußt doch einen Rest von Anmut besitzen... Na ja, du hast sehr hübsche Augen. Blauer als ich je welche gesehen habe. Schöner als die blauen Flecken auf den Eiern des Rotkehlchens. Nun, habe ich damit deiner weiblichen Eitelkeit Genüge getan?«
    Diesmal brachte Philippa es fertig, nichts zu entgegnen. Zu ihrem Erstaunen sah sie den Narren Crooky, der bisher neben Dienwald auf dem Fußboden gehockt hatte, aufspringen. Dienwald rief: »Komm her, du witzloser Narr, damit ich dir in die Rippen treten kann!« Doch Crooky brachte sich in Sicherheit und stimmte ein ungehobeltes Lied an, in dem er die Wirkung der blauen Augen einer Frau auf den Körper des Mannes besang.
    Dienwald brach in lautes Lachen aus. Woraufhin die 50 Leute, die noch im großen Saal waren, einstimmten und mit den Fäusten auf die Tische schlugen, daß sich die Dachbalken unter ihrem groben Gelächter zu biegen schienen.
    Philippa vergaß alle Vorsicht. Über den Lärm hinweg rief sie laut: »Komm her, du witzloser Narr, damit ich dir in die Rippen treten kann!«
    Dienwald schaute verblüfft das Mädchen an seiner Seite an. Sie lachte aus vollem Hals. Sie hatte ihn perfekt parodiert!
    Philippa sonnte sich in ihrem kurzlebigen Witz. Dabei merkte sie gar nicht, daß im Saal völliges Stillschweigen eingetreten war und daß alle in äußerster Verwirrung Dienwald anstarrten.
    Es dauerte eine Weile, bis sie es gewahrte. Und nun zweifelte sie nicht mehr daran, daß er ihr jetzt entweder die Kehle durchschneiden oder sie seinen Männern als Freiwild übergeben würde. Sie war zu weit gegangen. Der Mann besaß nicht einen Funken Ehre. Ohne ein weiteres Wort glitt sie vom Sessel, sprang zurück und rannte dann, so schnell sie konnte, auf die großen eichenen Saaltüren zu.

5
    Schloß Windsor
    Robert Burnell, Englands Kanzler und König Edwards Vertrauter, fuhr sich mit der Hand über die breite Stirn und hinterließ dort einen schwarzen Tintenfleck.
    König Edward stand auf und reckte sich. »Es wird Zeit, daß Ihr Euch zur Ruhe begebt«, sagte er. Er war von kräftiger Gestalt und einer der längsten Männer, die Robert Burnell je gesehen hatte. Langbein wurde er liebevoll von seinen Untertanen genannt. Er ist durch und durch ein Plantagenet, dachte Burnell, aber ohne die tückische Verschlagenheit seines Vaters Henry und ohne die Boshaftigkeit seines Großvaters John I., der sich daran ergötzt hatte, Männer, die bei ihm in Ungnade gefallen waren, foltern und verstümmeln zu lassen. Auch war er nicht homosexuell veranlagt wie sein berühmter Onkel Richard Löwenherz. Dafür legte der Kindersegen Zeugnis ab, dessen er und seine Königin Eleanor sich erfreuten.
    Robert hatte trotz der fortgeschrittenen Stunde vor, noch eine Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Er fragte sich, ob das Thema wohl das Plantaganet-Temperament zum Ausbruch bringen würde. Natürlich würde sich Edward nicht wie sein Großvater zu Boden werfen und in heulender Wut mit Fäusten und Füßen um sich schlagen. Nein, sein Zorn war von anderer Art, zuerst eine

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