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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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etwas mehr oder weniger.«
    »Wie hat dein Vater von der verbrannten Ernte erfahren?«
    »Durch Crooky. Bei Tagesanbruch hat er es ihm vorgesungen. Vater hat ihm beinahe von hinten in die Rippen getreten.«
    »Kann ich mir vorstellen. Und woher erfährt Crooky immer so schnell von allem?«
    »Das sagt er keinem.«
    »Immerhin kann man ihm seine elenden Verse verzeihen, wenn er so wertvolle Nachrichten liefert.«
    »Ja, und Vater hat auch gesagt, nur er darf Crooky in die Rippen treten, weil Crooky sein Narr ist und kein andern seiner, und er steht unter seinem Schutz. Weiß auch nicht, wie es kommt, aber Crooky erfährt immer alles als erster. Vielleicht ist er eine Hexe wie du, nur daß du auch ein dummes Mädchen bist.«
    Später machte Philippa die Bekanntschaft des Priesters. Er sah ihr offen ins Auge und war höflich zu ihr, was sie sofort für ihn einnahm. »Du tust jetzt, was Pater Cramble anordnet, Edmund, oder du bekommst es mit mir zu tun.«
    »Maibaum! Wollkopp! Hexe!« rief Edmund leise hinter ihr her.
    Philippa nahm keine Notiz davon, sondern ging lächelnd ihres Weges. Sie lernte auch den Waffenschmied kennen. Es war ein grimmiger alter Mann. Er hatte nur noch ein Auge, und das tränte. Doch er hatte Leder für viele Paar Schuhe zugeschnitten, darunter auch für sie. Sie brachte der alten Agnes das Leder, und die setzte mehrere Frauen daran, die Schuhe zu nähen.
    Erst am späten Nachmittag dachte Philippa wieder an Flucht. Warum nicht? Plötzlich erschrak sie. Sie hatte sich den ganzen Tag über unverständlicherweise so verhalten, als wäre sie die Burgherrin von St. Erth. Dabei war sie nur eine Gefangene, nicht besser dran als eine Leibeigene. Sie war eine beliebige Dirne.
    Ihr Gedankengang wurde unterbrochen, als sie Alain erblickte. Er unterhielt sich mit einem Mann, den sie noch nicht kannte. Mit scharfem Auge erkannte sie, daß die beiden sehr heimlich taten und daß der Verwalter dem Mann irgend etwas übergab. Verstohlen sah sie dem Mann nach, der sich entfernte und bald hinter den Unterkünften der Krieger verschwand. Dann bestieg Alain ein Pferd und ritt aus der Burg. Ohne Zögern ging Philippa in den großen Saal und machte sich von dort aus auf die Suche nach dem kleinen Arbeitsraum des Verwalters.
    An den Wänden waren Holzregale errichtet. Zusammengerollte und verschnürte Pergamente lagen in den kleinen Fächern. In den größeren Fächern lagerten gebundene Hauptbücher. Auf dem Fußboden vor den Regalen waren Bücher aufeinandergestapelt, an einer Wand stand ein schmales Bett und am Fußende des Bettes eine niedrige Truhe. Offenbar arbeitete Alain nicht nur in der Kammer, sondern schlief auch hier.
    Philippa nahm eines der großen Hauptbücher aus dem Regal. Es enthielt das Verzeichnis der Ernteerträge aus den letzten drei Jahren. Was auf den einzelnen Ackern angepflanzt worden war, den Kornpreis, den Verkaufserlös und eine Aufstellung der Tagelöhner mit der Angabe, wo sie gearbeitet hatten nebst der Anzahl der Tage und Stunden. Ein anderes gebundenes Buch enthielt das Verzeichnis der Geburten und Eheschließungen auf St. Erth. Philippa wandte sich wieder dem ersten Buch zu und las es von Anfang bis Ende. Danach fand sie ein weiteres Buch, in dem die Kosten der Bauten und erforderlichen Reparaturen notiert waren, die in den letzten drei Jahren auf St. Erth ausgeführt worden waren - alles unter Alains Verwaltung.
    Philippa brauchte nur anderthalb Stunden, um festzustellen, daß Alain ein Betrüger war. Kein Wunder, daß Dienwald sich genötigt gesehen hatte, Wolle zu rauben. Es war kein Geld da, weil Alain alles in die eigene Tasche gesteckt hatte.
    Philippa stand auf, stellte alles wieder so hin, wie sie es vorgefunden hatte, und verließ die stickige kleine Kammer. Wohin war Alain geritten? Wer war der Mann, mit dem er gesprochen hatte? Was hatte er ihm gegeben?
    Sie begab sich in die Webstube, sah, daß die Arbeit zufriedenstellend voranschritt, und machte sich dann auf die Suche nach Crooky. Sie fand ihn zusammengerollt in einer Ecke des großen Saals. Er hielt dort Mittagsschlaf.
    Philippa stieß ihm sachte die Fußspitze in die Rippen. Er fuhr hoch, machte den Mund auf und fing zu singen an:
    »Ach, mein edler Lord,
    Schlagt Euren guten Diener nicht!
    Er hat so wenig Schlaf in Eurem Dienst
    Wie eine Dirne, die Euch ...«
    »Genug der entsetzlichen Verse!« sagte Philippa zu ihm. »Steh auf, Narr! Ich habe dir etwas zu sagen.«
    Verschlafen blinzelnd kam Crooky mühsam auf die

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