Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
drinnen Krach.
    Alle redeten durcheinander. Die Sense in der Hand, die Haare wild zerzaust, stand sie mit bleichem Gesicht und über und über mit Blut bespritzt in der Tür. Jetzt wurden die ersten auf sie aufmerksam.
    Eine grausige Stille trat ein. Dann sprang Alain auf und brüllte: »Tötet die Hure! Bei den Knien des Teufels, sie hat Leute von uns abgeschlachtet! Seht sie euch an, sie ist blutverschmiert! Mörderin! Sie hat die Edelsteine des Herrn gestohlen! Bringt sie um! Schnell!«
    Philippa blickte um sich und hob die Sense. Die Stille legte sich lähmend auf alle. Noch hatte sich keiner gerührt. Alle starrten sie an wie ein Gespenst im Schauspiel. »Gorkel«, sagte sie mit versagender Stimme, »hilf mir!«
    Als Alain sah, daß keiner Anstalten traf, ihm zu gehorchen, stürmte er auf sie zu. »Tötet die verfluchte Hure!«
    Er entriß einem der Krieger das Schwert und rannte weiter.
    »Tötet sie!« brüllte ein anderer. »Ja, sie ist die Hexe, die einem Mann seine Stelle wegnehmen tut!« Es war Prink. Er sah noch immer blaß aus und schwitzte heftig, war aber bereit, sie umzubringen. »Schlagt sie auf der Stelle tot!«
    Jetzt sprachen alle durcheinander, aber Philippa meinte jeden einzelnen herauszuhören. Es war unheimlich. Sie hörte Pater Cramble laut beten, sie hörte Edmund kreischen wie einen der Papageien ihrer Mutter. Er kam auf sie zugeeilt. »Nein, Edmund, bleib, wo du bist!« Northbert, Proctor, der Waffenschmied, Margot, Crooky, Alice - alle kamen auf sie zu. Um ihr zu helfen? Oder um sie zu töten?
    Schaudernd wich sie zurück. Sie wußte, daß Alains anderer Mörder irgendwo draußen im Innenhof auf sie lauerte. Und vor ihr war Alain, von Wut und Haß verzehrt, bereit, sie in dem von Menschen wimmelnden Saal zu töten.
    Doch sie war kein Feigling. Wieder hob sie die Sense.
    »Nee, Herrin.«
    Es war Gorkel, der sich jetzt langsam näherte. Grinsend entblößte er das Gebiß, und da erfaßte sie auf einmal Mitleid mit Alain.
    Gorkel packte den Arm des Verwalters kurz über dem Ellbogen und drückte einfach zu. Das Schwert fiel dem Verwalter aus der Hand und fiel harmlos zu Boden.
    Dann begann er zu heulen. Er flehte um Gnade. Philippa sah, wie Gorkel ihm den Arm immer höher verdrehte. Und Alain schrie, als ob er am Spieß steckte.
    Ohne die geringste Gemütsbewegung legte ihm Gorkel mit der freien Hand die Finger um den Hals. Der Druck verstärkte sich. Er hob ihn hoch, und der Verwalter baumelte an seinem Arm. Jetzt konnte er nicht einmal mehr schreien.
    Dann warf Gorkel brummend den halbtoten Mann auf die Binsen.
    Philippa ließ die Sense fallen, barg das Gesicht in den blutigen Händen, fiel auf die Knie und brach in Tränen aus.
    Die Stimme eines kleinen Jungen drang an ihr Ohr. Edmund war es. Er sagte: »Du kannst doch nicht wie ein albernes Mädchen weinen.«
    Da blickte sie auf und sagte, was sie selbst überraschte: »Du bist ein garstiger kleiner Junge. Ein richtiges Ungeziefer. Aber ich weiß nicht, wie es kommt, ich freue mich, daß du jetzt da bist.«
    »Ja«, sagte Edmund. »Das kommt davon, daß du nur ein Mädchen bist und männlichen Schutz brauchst. Aber du bist schmutzig und mit Blut verschmiert. Komm mit!«
    »Geht mit dem Jungen!« sagte Gorkel. »Ihr habt Euch gut gehalten, Herrin, sehr gut.«
    »Draußen wartet noch einer, Gorkel. Im Stall habe ich seinen Kumpanen getötet, aber er ist weggerannt. Ich weiß nicht, wer es ist. Doch an der Stimme würde ich ihn wiedererkennen.«
    »Wahrscheinlich ist das der Zisternenwart«, sagte Gorkel. »Ein ganz niederträchtiger Hund. Er hat dauernd um den Verwalter herumscharwenzelt. Ja, ich habe ihn schon eingefangen. Wenn der Herr wieder hier ist, wird er ihn bestrafen.«
    »Und was wird aus dem?« rief die alte Agnes in schrillem Diskant und zeigte auf Prink. »Dieser dreckige Verräter!«
    Der Weber konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er war sichtlich krank und verging vor Angst.
    »Laßt ihn in Ruhe!« rief Philippa. »Tu ihm nichts, Gorkel! Seine Krankheit hat in verblödet. Laßt ihn in Frieden!«
    »Ein bißchen muß ich ihm weh tun«, sagte Gorkel, »damit er nicht wieder so ein Mist machen tut.«
    Und damit packte er den Weber, hob ihn hoch und schleuderte ihn wie eine Puppe umher. Dann schlug er ihm mit der Faust in den Magen, ließ ihn fallen, trat ihm noch einmal in die Rippen und sagte mit leiser, eindringlicher Stimme zu ihm: »Wenn du noch ein einzigesmal die Herrin anfassen tust, wenn du noch einmal 'n böses

Weitere Kostenlose Bücher