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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Sie lag ganz still. Unter der Decke bekam sie kaum Luft. Sie erfaßte mit den Zähnen eine Ecke und schüttelte sie sich vom Gesicht. Sie glaubte, allein zu sein, war sich aber nicht sicher, weil es so dunkel war. Jedenfalls hörte sie keine Schritte und keine Stimmen. Wo war Alain?
    Jetzt, dachte sie. Jetzt muß ich gut überlegen. Aber nicht mit den Beinen, sondern mit dem Kopf. Was war zu tun? Alain blieb nichts anderes übrig, als sie von St. Erth zu entfernen. In diesen Augenblicken erinnerte sie sich an Stellen aus den Heldenliedern der Spielleute. Da pflegten strahlende Helden oft eine Jungfrau aus schrecklichen Gefahren zu befreien. Doch hier war weit und breit kein strahlender Held zu finden. Die schöne Jungfrau mußte sich selber helfen.
    Sie versuchte die Fesseln um die Handgelenke zu lockern, erreichte aber nur, daß sie ihr noch tiefer in die Haut schnitten. Sie wälzte sich herum, und es gelang ihr, auf die Beine zu kommen. Sie spähte aus ihrer Box. Beinahe wäre sie von den Schmerzen an der Schläfe, wo sie der Messergriff getroffen hatte, wieder ohnmächtig geworden. Doch sie hielt durch. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr. Alain würde bald zurückkommen. Und dann würde er sie töten, daran bestand kein Zweifel.
    Philippa schaffte es, den Riegel an der Box zurückzuschieben. Leise stieß sie die Tür auf. Wo war der Verwalter?
    Sie wollte mit vollem Schwung aus den Ställen stürmen und gellend um Hilfe rufen. Doch da hörte sie vom Eingang her zwei leise Männerstimmen und blieb stehen. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und als sie sich vorsichtig umblickte, sah sie, daß an einem Wandhaken eine alte Sense hing.
    Nun dauerte es nicht mehr lange, bis sie an dem tödlich scharfen Sensenblatt die Fesseln durchgetrennt hatte. Aber sie schnitt sich dabei, und Blut lief ihr über die Handflächen. Sobald sie frei war, duckte sie sich und schlich wieder zur Tür. Die beiden Männer waren noch da. Sie unterhielten sich mit gedämpfter Stimme.
    Jetzt könnte sie sie überrumpeln. Sie mußte versuchen, in den großen Saal zu gelangen, bevor sie eingeholt wurde.
    »Na? Hat sich die Hure schon bemerkbar gemacht? Oder ist sie noch bewußtlos?«
    Alain war gekommen! Philippa schrak zurück. Ihr Herz schlug so laut, daß sie meinte, sie müßten es hören. Na, und wenn schon! Sie sollten nur kommen! Sie zog die Sense von der Wand und drückte sie an die Brust.
    Sie hörte einen der Männer sagen: »Nee, die Dirne hat noch kein Mucks von sich gegeben. Sie muß noch bewußtlos sein. Dürfen wir sie noch rammeln, bevor wir sie die Kehle durchschneiden?«
    Philippa schluckte krampfhaft. Dann merkte sie, daß sie mit den blutigen Händen leicht am Sensenstiel abrutschen konnte. Sie hob Heu vom Boden auf und rieb den Stiel und ihre Handflächen damit ab. Solange sie die Sense hatte, besaß sie noch eine Chance.
    »Ihr könnt mit ihr machen, was ihr wollt. Aber danach müßt ihr sie umbringen und die Leiche irgendwohin bringen, wo sie nie gefunden wird. Die Dirne steckt voller Tücken. Also paßt auf, wenn sie wieder zu sich kommt! Ich habe inzwischen mit dem Torhüter
    Hood gesprochen und ihm gesagt, daß ich heute nacht Lebensmittel an den Herrn schicke. Der Mann ist nicht dumm, also seht euch vor! Ihr verladet die Dirne auf einem Maultier und bringt sie von St. Erth weg. Wenn ihr zurückkommt, zahle ich euch aus. So, das wär's.«
    Dann entfernte sich Alain wieder. Nur seine beiden Spießgesellen blieben zurück.
    Sie hatte jetzt nur den Überraschungsvorteil auf ihrer Seite.
    Sie hob sie Sense über den Kopf und wartete. Einer der Männer kam in den Stall herein. Sie hörte ihn zu dem anderen sagen: »Warte hier! Ich hole die Dirne.«
    Der andere widersprach. »Nee, man muß sie im Stall drin nehmen, du Schweinehund!«
    Dann stritten sie sich darum, wer sie als erster vergewaltigen dürfe. Fester packte sie den Sensenstiel. Dreckige Unholde! Plötzlich sah sie im Mondlicht einen Männerkopf an der Tür. Philippa atmete tief ein und schlug kräftig mit der Sense zu. Sie traf ihn nur mit der gekrümmten flachen Seite der Schneide. Aber der harte Schlag zertrümmerte ihm den Schädel. Blut spritzte auf den mit Heu bedeckten Boden.
    Der Mann hinter ihm brüllte aus voller Kehle. Philippa schrie und drang mit hoch erhobener Sense auf ihn ein.
    Der Mann brüllte vor Angst und machte kehrt. Schnell rannte sie zum Innenhof und von dort die Treppe zum großen Saal hinauf. Wie immer herrschte

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