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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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warten. Was war, wenn sie Roland aufgespürt hatten?
    Und plötzlich wußte sie, was zu tun war. Sie durfte jetzt keine Dummheiten machen. Alles hing von ihr ab.
    Sie saß ab und sah dem näher kommenden Reitertrupp entgegen. Bald erkannte sie den großen Araberrappen des Grafen. Sie stand bereit, rührte sich aber nicht von der Stelle. Ich ertrage es nicht, wenn er mich anfaßt. Das halte ich nicht aus. Dann schreie ich und trete um mich. Lieber will ich sterben, als mich von ihm anfassen zu lassen.
    Sie hob den Kopf. Kalte Regengüsse peitschten ihr ins Gesicht.
    Der Graf von Clare hob die behandschuhte Hand. Er schaute auf den durchnäßten Knaben neben Rolands wuchtigem Kampfroß. Seine Hand umklammerte den Schwertgriff. Wo war der verdammte Schweinehund? Hatte er sich in den Eibenbüschen verkrochen? Hatte er die lächerlicherweise als Knabe verkleidete Daria sich selber überlassen?
    Auf seinen Wink hielten die Männer. Mit steigendem Erstaunen beobachtete er Darias Mienenspiel. Ihr anfänglicher Schreck verwandelte sich in Erleichterung und Jubel. Sie rannte nicht vor ihm weg. Sie rannte auf ihn zu!
    Er sprang vom Pferd und sah ihr gespannt entgegen. Im Laufen schrie sie ihm etwas zu. Dann warf sie sich ihm an die Brust und umschlang ihn mit den Armen.
    Er war völlig verwirrt. Was redete sie da? Daß er sie gerettet hätte? Gerettet!
    Der Graf packte sie an den Oberarmen und schob sie weg. »Was tust du hier?«
    Es zuckte ihm in den Händen, sie zu schlagen, sie auf die schlammübersäte Straße zu werfen und sie nochmals für ihre Treulosigkeit zu schlagen. Doch er tat nichts dergleichen, stand nur da und wiederholte die Frage: »Was tust du hier?«
    Sie stotterte, stammelte - vor Kälte, vor Angst, vor Erleichterung.
    »Ich bin ihm ausgerückt, hab' ihm das Pferd gestohlen, aber das elende Tier wurde lahm, und ich dachte, er läge hier auf der Lauer und finge mich wieder ein, und ich bekam es mit der Angst zu tun ... ich habe mich so gefürchtet...«
    Der Graf von Clare beobachtete, wie die Blicke seiner Männer von ihm zu dem zitternden Mädchen gingen. Sicherlich hörten sie jedes Wort. Aber ihren müden Gesichtern war nicht zu entnehmen, was sie von der Sache hielten.
    »Was hast du gesagt? Du bist Roland ausgerückt?«
    »Roland? Heißt der dreckige Köter so?« Zitternd warf sie sich ihm wieder an die Brust. »Mylord, er ist gar kein Priester. Laßt es bitte nicht zu, daß er mich wieder einfängt! Mir hat er erzählt, er hieße Charles, aber ich glaubte ihm kein Wort.«
    »Aber du hast mich mit dem Leuchter niedergeschlagen! Du warst es, Daria, und nicht dieser Hurensohn.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn mit Unschuldsmiene an. Mit der hohen, zitternden Stimme eines erschrockenen kleinen Mädchens piepste sie: »Ja, weil Ihr versucht habt, mich zu vergewaltigen, obwohl ich noch nicht mit Euch vermählt war. Was sollte ich denn tun? Man hat mich gelehrt, bis zur Hochzeit die Unschuld zu bewahren.
    Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu verteidigen. Sonst hätte mich Gottes Fluch getroffen. Und dann kam dieser Mann -Roland - dazu und zwang mich, mit ihm zu gehen. Er hat mich nie aus den Augen gelassen. Aber in Wrexham hat er sich betrunken und da bin ich ausgerückt und habe ihm das Pferd gestohlen.«
    »In wenigen Tagen hätte uns der Priester getraut, und ich wollte dich vorher nur ein wenig genießen.«
    Mit ernstem, strengem Blick antwortete sie: »Eine Frau besitzt nichts als ihre Unschuld, um ihren guten Ruf zu bewahren. Deshalb mußte ich mich bis zum Äußersten gegen Euch wehren. Wenn ich mich Euch einfach hingegeben haben würde, dann hätte Gottes Fluch mich getroffen. Das werdet Ihr doch sicherlich verstehen, Mylord. Das müßt Ihr verstehen! Kein Ehrenmann darf einem unschuldigen Mädchen Gewalt antun. Wer es dennoch tut, kann nie auf Verzeihung hoffen, weder von ihr noch vom lieben Gott. Das ist mein fester Glaube. Ich konnte nicht zulassen, daß Ihr mich schändet, und darum habe ich zum letzten Mittel gegriffen, um meine Ehre zu retten.«
    Der Graf schwankte. Er war unsicher, und das machte ihn hilflos. Er begann zu fluchen. Wütend scheuchte er seine Männer von sich weg, die sich vor Müdigkeit kaum noch im Sattel halten konnten. Dieses völlig verdreckte kleine Mädchen machte ihm Vorwürfe!
    »Wo ist Roland?«
    »Ich weiß es nicht. Irgendwo in Wrexham. Wenigstens war er heute morgen noch dort. Ich habe die Gelegenheit zum Ausrücken benutzt, als er gerade seinen Rausch

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