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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ausschlief. Ich hatte nämlich entdeckt, was er für Pläne mit mir hatte. Mein Onkel hat ihn gekauft, müßt ihr wissen. Er hat ihm eine Menge Geld dafür geboten, daß er mich wieder zu ihm zurückbringt. Danach wollte mein Onkel mich mit Ralph von Colchester verheiraten. Mylord, ich habe Angst, er wird mich wieder verfolgen.« Mit einem rührenden, hilfesuchenden Augenaufschlag schloß sie: »Oder glaubt Ihr, daß er jetzt aufgibt? Und vielleicht nach England zurückgeht?«
    »Vielleicht«, sagte der Graf, fügte aber in Gedanken hinzu: Bestimmt nicht ohne sein Pferd. Dann rief er einem seiner Männer zu: »Clyde, wir müssen in der Nähe der Höhle sein, an der wir gestern vorbeigekommen sind! Dort wollen wir die Nacht verbringen oder wenigstens so lange Unterschlupf suchen, bis dieser verfluchte Regen aufhört.«
    Die Männer verließen schnell den schlammigen Weg. Der Graf wandte sich an das vor Kälte zitternde Mädchen: »Du bist ja völlig durchgeweicht.« Er zog einen trockenen Waffenrock aus der Satteltasche und legte ihn ihr um. »Hüll dich darin ein! Ich will nicht, daß du Fieber bekommst und stirbst.«
    »Sein Pferd ist aber lahm.«
    »Einer meiner Männer wird es am Zügel mitführen.« Der Graf dachte gar nicht daran, das Pferd zurückzulassen.
    Clyde führte alle in eine Höhle mit hoher Decke. Sie war so geräumig, daß man sämtliche Pferde mit zusammengebundenen Vorderbeinen im Rückraum unterbringen konnte. Daria wurde angewiesen, sich dicht ans Feuer zu setzen. Sie klapperte noch eine Weile mit den Zähnen, merkte aber bald, daß ihre Sachen allmählich trockneten. Sie konnte nur hoffen, daß es ihr gelungen war, den Grafen zu täuschen. Inbrünstig betete sie, daß Roland gesund würde, sie einfach vergäße, Wales verließe und sich in Sicherheit brächte.
    Das bedeutete, daß sie ihn nie Wiedersehen würde. Alle ihre wunderbaren Gefühle wären dann Truggebilde gewesen. Es bestand keine Verbindung mehr zwischen ihnen. Nicht einmal die Ehre würde ihn an sie binden, denn er wußte nicht, daß er mit ihr geschlafen hatte. Roland würde sie vergessen, genauso wie das Geld, das er von ihrem Onkel bekommen hätte. Er war ja nicht dumm. Er würde sich denken können, daß der Graf sie wieder gefangengenommen hatte. Clare würde entdecken, daß sie nicht mehr jungfräulich war. Dann würde er wissen, daß Roland mit ihr geschlafen hatte. Er würde sich belogen und betrogen fühlen. Dabei war er es doch, der sie als erster geraubt hatte!
    Nun, er war ja davon überzeugt, daß er in der besonderen Gnade Gottes stand. Gott billigte alle seine Pläne mit ihr.
    Vergebens bemühte sie sich, ein Schluchzen zu unterdrücken. Auch als sich eine Männerhand auf ihre Schulter legte, konnte sie nicht aufhören zu weinen.
    »Psst«, sagte der Mann. Sie erkannte die Stimme des Waffenmeisters MacLeod. »So macht Ihr Euch nur krank.«
    »Ich habe solche Angst.«
    »Ja, nicht ohne Grund. Aber der Graf scheint von Eurem Anblick behext zu sein. Er wird Euch nicht töten. Jedenfalls vorläufig nicht. Ihr könnt doch dem Himmel danken, daß wir wenigstens aus diesem scheußlichen Regen heraus sind.«
    »Wird er nach Wrexham zurückreiten, um diesen Mann zu suchen?«
    »Woher wißt Ihr denn, daß wir in Wrexham waren?«
    Oh, mein Gott, was habe ich da für eine Dummheit gesagt! »Ich weiß es ja gar nicht, habe es nur angenommen.«
    MacLeod sah in ihr blasses Gesicht mit den geröteten Augen und den nassen Haaren, die an beiden Seiten des schmalen Kopfes herabhingen. Was für ein rührendes kleines Ding! Es leuchtete ihm nicht ein, daß der Graf in ihr die zukünftige Ehefrau sah. Viel näher würde es liegen, sie wie eine Tochter zu behandeln. In der ausgebeulten Knabenkleidung sah sie wirklich nicht nach einem Leckerbissen für einen so abgebrühten Mann wie den Grafen aus.
    Er wandte den Blick und schaute ins Feuer. »Ja, wir kommen aus Wrexham«, sagte er. »Wir sind hart geritten, um Euch und diesen Hurensohn zu finden, der Euch aus Tyberton entführt hat.«
    Sie rückte näher ans Feuer. »Wo ist der Graf denn jetzt?«
    MacLeod zuckte die Achseln. »Er spricht mit den Männern. Hier, eßt etwas! Wir haben auf dem Markt in Wrexham Vorräte eingekauft. Ihr müßt etwas essen, sonst werdet Ihr noch so mager, daß Euch die Knabenhosen vom Leibe rutschen.«
    MacLeod sprach diese Worte ohne jede Nebenabsicht. Aber für Daria beschworen sie wieder das Bild herauf, wie sich der Graf mit seinem ganzen Gewicht auf sie

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