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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wußte, wo sie untergebracht waren. Doch der Graf von Clare würde sie trotzdem bald finden. Mein Gott, was war zu tun?
    »Ach, seht mal!« sagte er plötzlich. »Da drüben sind sie ja!«
    Sie drehte sich um. Nur dreißig Schritte weiter in der schmalen Straße sprachen zwei Männer des Grafen mit einem Gemüsehändler. In dem einen erkannte sie seinen Waffenmeister MacLeod. Beide wirkten müde und ungeduldig.
    Kurz entschlossen sagte Daria: »Ich denke, ich werde das Pferd gleich mal ausreiten.«
    Ohne auf seinen Einspruch zu achten, sattelte sie Cantor. Der Zelter, der sich im Stall jedoch gelangweilt hatte, warf ungeduldig den Kopf hoch, und sie mußte all ihre Kraft aufbieten, um ihm das Gebiß ins Maul zu schieben und die Zügel anzulegen.
    »Ich mache nur einen kurzen Galopp und bin bald wieder hier«, sagte sie zu dem Stallmann, saß auf, und Cantor verließ unter lautem Hufgeklapper den Stall. »Ich reite in Richtung von Leominster«, sagte sie noch und hoffte inbrünstig, der Waliser werde es den Männern des Grafen weitersagen.
    Während Cantor schnaubend durch die belebten engen Gassen von Wrexham tänzelte, stopfte sie sich die Haare unter die Wollmütze. Sah sie nun wieder wie ein Junge aus? Hoffentlich! Sie hatte keine Ahnung, welche Richtung sie eingeschlagen hatte. Ihr ging es nur darum, die Männer von Roland abzulenken.
    Sie hatte Geld, und sie hatte ein gutes Pferd, sie war nicht auf den Kopf gefallen, und sie konnte ein wenig walisisch sprechen. Spontan beschloß sie, zur Burg Croyland zu reiten, zu Lord Richard de Avenell. Bestimmt würde er ihr helfen.
    Und was wurde inzwischen aus Roland?
    Wenn der Graf von Clare ihn aufspürte, würde er ihn umbringen. Sie mußte ihn also auf eine falsche Fährte setzen, schnell und möglichst weit weg. Aus dem Sonnenstand ersah sie, daß sie in nordöstlicher Richtung ritt, auf Croyland und die englische Grenze zu.
    Was würde Roland von ihr denken, wenn er merkte, daß sie fort war?

8
    Es regnete wieder einmal. In wenigen Minuten hatte der feine, kalte Nieselregen Daria bis auf die Haut durchgeweicht. Mißmutig schaute sie zum ewig grauen Himmel auf.
    Sie war jetzt seit drei Stunden unterwegs. In den letzten beiden Stunden hatte sie keinen Menschen zu Gesicht bekommen. Nur Schafe. Natürlich, Schafe waren ja überall. Und dunkle Wälder knorriger Schwammeichen. Die Straße war zu einem rauhen Pfad geworden, den auf beiden Seiten dichte Eibenbüsche säumten. Oft streiften die stachligen Blätter Cantors Flanken, und jedesmal mußte sie ihn dann beruhigen. Aber er behielt sein Tempo ständig bei. Der kräftige Hengst besaß eine enorme Ausdauer.
    Auf einem schlammigen Feld zur Rechten sah Daria eine Herde von Gänsen, und dann lugten zwei Dachse aus einer Hecke hervor. Vom Grafen und seinen Männern war nichts zu sehen. Sie hoffte, sie seien hinter ihr her, aber weit, weit zurück.
    Der Regen wurde stärker, es schüttete wie aus Kübeln. Ob er wie durch Zauber aufhören würde, wenn sie England erreichte? Es konnte jetzt nicht mehr sehr weit bis Chester sein. Und wie war es Roland inzwischen ergangen? Nein, jetzt mußte sie an sich selber denken.
    Plötzlich sprang vor Cantors Hufen ein Hase aus dem Dickicht. Überrascht stellte sich der Hengst auf die Hinterbeine und wieherte zornig. Daria verlor den Halt und fiel seitwärts in eine Wasserlache. Der Aufprall war hart, jeder Knochen im Leib tat ihr weh, und sie blieb vorerst liegen.
    Cantor stand schnaufend über ihr, den großen Kopf gesenkt, wie ein Spiegelbild ihres eigenen Jammers. Langsam raffte sie sich auf und lehnte sich an die Flanke des schweratmenden Pferdes. Er stieß sie auffordernd an, und sie drängte sich an ihn. Da spürte sie unter den Sohlen ihrer Lederschuhe, wie die Erde leise unter dem Hufschlag vieler Pferde bebte. Sie mußten im vollen Galopp auf sie zukommen. Bald würden sie hinter ihr auftauchen. Das konnten nur der Graf und seine Männer sein.
    Sie schwang sich auf Cantors Rücken und stieß ihm die Schuhspitzen in die Weichen. Er sprang an - und strauchelte wieder. Sie wurde beinahe erneut runtergeschleudert, konnte sich aber mit der linken Hand an der Mähne festhalten.
    Er war lahm geworden. Auf seinem Rücken sitzend, wußte sie, daß es vorbei war, wollte es aber noch nicht wahrhaben. Er ließ den Kopf hängen und atmete schwer. Ihre Flucht war zu Ende.
    Deutlich hörte sie nun den vielfachen Hufschlag hinter sich. Er kam näher und näher. Sie konnte nichts mehr tun. Nur

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