Die Stimme des Blutes
mein Gatte.«
»Ah, gut, das müßte wohl für eine gute Ehe genügen«, sagte der König und lehnte sich zufrieden zurück.
Draußen standen rund um das Königs Zelt mehrere Dutzend Soldaten. Roland zog Daria mit sich und machte erst am äußeren Rand des Lagers Halt. »Nun rede, Daria!«
»Ich verstehe nicht, wie die Königin... Vielleicht irrt sie sich, denn mir war niemals übel oder... Es muß sehr kompliziert sein...«
»Schwanger zu werden ist die einfachste Sache der Welt! Dazu genügt, daß ein Mann eine Frau begattet, das ist alles!«
»Jedenfalls wußte ich nichts davon! Die Königin muß an mir Anzeichen bemerkt haben, die mir nicht aufgefallen sind.«
Sein Griff um ihren Arm wurde härter. Sie zuckte, gab aber keinen Ton von sich. »Also schön, du wußtest nicht, daß du schwanger bist. Jetzt weißt du es aber. Es stimmt doch, nicht wahr? Du hast keine Monatsblutung mehr gehabt? Sind deine Brüste angeschwollen?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie wußte, er würde nicht locker lassen, er würde sie mit Fragen überschütten, bis sie ihm die volle Wahrheit erzählte. Ach, die Wahrheit! Gerade die würde er nicht glauben. Er hatte ja keine Erinnerung an diese Nacht. Was sollte sie tun?
»Nun gut. Du wirst mir nichts vorlügen. Lügen nützen uns beiden nichts mehr. Der Graf hat mit dir geschlafen, bevor ich dich wieder befreien konnte, nicht wahr? Ich hatte schon damit gerechnet, weil kein Priester mehr da war, der versuchen konnte, ihn davon abzuhalten. Du trägst sein Kind im Bauch. Warum hast du mir nicht gesagt, daß er dich vergewaltigt hat? Warum nicht? Du weißt, daß ich dich trotzdem befreit hätte, wenn du den Wunsch gehabt hättest.«
»Der Graf hat mir nie Gewalt angetan«, sagte sie leise und dumpf.
»Verflucht noch mal, Daria! Frauen sind geborene Lügnerinnen, und wir Männer fallen immer wieder auf sie herein. Ich war der größte Dummkopf. Bei allen Heiligen, noch heute nacht bringe ich dich zum Grafen von Clare zurück! Wenn du sagst, daß er dich nicht mit Gewalt genommen hat, dann mußt du dich ihm freiwillig hingegeben haben. Nun wundert es mich auch nicht mehr, daß du mich in Wrexham im Stich gelassen hast. Vorher war es dir nicht möglich gewesen. Aber da hast du die Gelegenheit benutzt, weil ich krank war. Werde ich denn nie klug werden?«
»Offenbar nicht.«
Wutentbrannt fuhr er sie an: »Ich verstehe nur nicht, warum du überhaupt das zweite Mal vor ihm ausgerückt bist. Du mußt doch schon daran gewöhnt sein, mit ihm zu schlafen. Oder wolltest du, daß ich ihn dafür bestrafe? Ich werde aus dir einfach nicht schlau. Sag mir, warum du mit mir geflüchtet bist! Warum?«
10
»Der Graf hat mich nicht vergewaltigt, und ich habe mich ihm auch nicht freiwillig hingegeben. Er hatte geschworen, mich bis zur Hochzeit nicht anzurühren, und den Schwur hat er gehalten. Das Kind ist nicht von ihm.«
Roland sah sie fassungslos an. Er hatte sie für ein argloses, offenherziges, unschuldiges Mädchen gehalten. Von wem war denn nun das Kind? Er war doch ständig mit ihr zusammen gewesen, abgesehen von der Zeit seiner Krankheit in Wrexham. Warum wollte sie nicht zugeben, daß der Graf sie vergewaltigt hatte? Meinte sie, er würde ihr deswegen gram sein? Aber sie behauptete ja sogar, er habe sie nicht angerührt.
Kopfschüttelnd fragte er sie: »Wer war es dann?«
Sie sah ihm gerade in die Augen. Die Zeit der Täuschung war vorbei. Er wollte die Wahrheit hören. Nun gut, dann würde sie sie ihm sagen. »Du warst es.«
Er lachte laut, und sie fuhr zurück. Dann überlegte er laut: »Mit solchen Lügen kommst du nie durch, Daria. Ein Mann weiß, ob er mit einer Frau geschlafen hat oder nicht. Das ist schließlich etwas anderes als ein Rülpser. Wann wird denn das Kind zur Welt kommen?«
»Das könnte ich schnell ausrechnen. Ich kenne ja den genauen Tag der Empfängnis.«
»Und wann genau war der Tag?«
»Vor über zwei Monaten in Wrexham.«
Da hatte er nicht auf sie aufpassen können, weil er schwerkrank gewesen war. »Hat man dich dort vergewaltigt? Du bist allein weggegangen, und ein Mann hat dich überfallen? Du kannst es mir ruhig sagen, Daria. Komm, sag es mir!
»Nein. Du hast mich nicht mit Gewalt genommen.«
»Ich sage dir noch einmal, du sollst keine Märchen erzählen!«
»Während deiner Krankheit hattest du Fieberträume. Du träumtest von einer Frau - nein, von zwei Frauen - mit denen du früher einmal im Heiligen Land geschlafen hast. Ich ... nun, weil ich dich
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