Die Stimme des Blutes
reißen, um alle meine Wünsche zu erfüllen«, sagte er voll hämischer Ironie. »Aber ein unschuldiges junges Mädchen würde sich nie von einem Mann befehlen lassen, ihre Jungfernschaft zu opfern.«
»Danach hast du von Cena gesprochen, sagtest aber, du seist zu müde, um dich noch mit ihr abzugeben.«
Im Fieberwahn konnte ein Mann über alle möglichen Erinnerungen oder Gespenster faseln. Aber er war in diesem Zustand nie so stark, daß er eine Jungfrau zwingen konnte, sich ihm hinzugeben.
»Jetzt habe ich dir die Wahrheit gesagt, Roland. Was ich getan habe, war vielleicht dumm, aber ich lie ... ich wollte, daß du der erste bist. Ich wollte dich erfahren« - deine Hände auf mir spüren, deine Küsse erleben, von dir umarmt werden... ich wollte eine unauslöschliche Erinnerung an dich behalten -, »bevor ich zur Heirat mit Ralph von Colchester gezwungen würde. Ich wollte wenigstens dieses eine Mal meinen Wünschen folgen, denn danach würde mir nicht mehr bleiben.« So, nun wußte er die ganze Wahrheit.
»Nein, du kannst mir nicht weismachen, daß du dich mir hingegeben hast, obwohl ich dich für eine andere hielt, eine andere zu küssen, zu liebkosen und zu fühlen glaubte, während ich deinen Körper nahm. Keine Frau, die ich je gekannt habe, hätte das getan. Und ich habe viele Frauen gekannt, Daria. Eher würde eine Frau den Mann verfluchen und ihm ein Messer in die Rippen jagen.«
»Vielleicht ist es lächerlich. Vielleicht habe ich mich lächerlich gemacht. Ich weiß es nicht. Ich habe ja kaum Erfahrung mit Männern und ihrem Wesen.« Leise und traurig fuhr sie fort: »Ich kenne eigentlich nur mich und das, was ich fühle.« Sie holte tief Luft und platzte dann heraus: »Rydw i'n garu di, Roland.«
Er sah sie lange Zeit an. Dann sagte er kühl: »Verlogenes Biest«, wandte sich ab und ließ sie stehen. Über die Schulter rief er noch: »Ich lege nicht den geringsten Wert darauf, dich je wiederzusehen. Geh zu deinem Onkel zurück oder, wenn du Angst vor ihm hast, kannst du auch zum Grafen von Clare gehen. Vielleicht nimmt er dich wieder, wenn er Tildas überdrüssig geworden ist.«
Er zwang sich weiterzugehen und keinen Blick zurück zu werfen. Sie liebte ihn ja nicht. Was sie gesagt hatte, war für ihn unbegreiflich. So unbegreiflich wie die Tatsache, daß sie ihn in jeder Verkleidung auf der Stelle erkannt hatte. Wer hatte ihr eigentlich gesagt, was >Ich liebe dich< auf walisisch hieß? Nun, gleichviel.
Jetzt mußte er dem König und der Königin irgendeine Erklärung geben. Sie durften aber nicht den Eindruck gewinnen, daß Daria eine leichtsinnige Hure wäre ... Was sollte er sagen?
»Der Graf von Reymerstone würde mich umbringen, und ich könnte ihm nicht mal einen Vorwurf machen. Und was noch schlimmer ist, er würde auch sie ohne Bedenken gnadenlos töten.«
»Ihr seid ja schließlich nicht irgendein Bauer, Roland«, sagte Edward mit einem Achselzucken. »Eure Familie ist ebenso alt wie seine und...«
Roland fiel dem König ins Wort. »Ihr habt mich nicht verstanden, Sire. Der Mann wollte imbedingt, daß Daria Ralph von Colchester heiratet, denn in diesem Falle würde er die Ländereien erhalten, die seinen Besitz abrunden, so wie er es sich immer gewünscht hat.«
»Demnach hat der Graf von Clare sie verführt?«
Roland nickte.
»Das ist eine verworrene Geschichte mit vielen unerwarteten Wendungen. Wißt ihr, woran sie mich erinnert, Roland? An die Märchen, die Ihr schon manchen Leuten aufgetischt habt. Nur daß diese Geschichte immer noch ein gutes Ende nehmen kann. Es liegt allein an Euch.«
»Ihr glaubt mir also nicht, wenn ich behaupte, daß ich nicht der Vater ihres Kindes bin? Habe ich Euch je angelogen?«
Der König sah bekümmert drein. »Nein, nie. Aber die Königin ist überzeugt, daß das Mädchen die Wahrheit sagt. Hört einmal Roland, es ist doch nicht ausgeschlossen, daß Ihr sie in dem Glauben genommen habt, sie wäre eine andere?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Könnt Ihr Euch so etwas vorstellen, Sire?«
»Nein.«
»Außerdem behauptet sie, nach einem einzigen Beischlaf schwanger geworden zu sein. Ein einziges Mal, und schon ist sie schwanger?«
Der König lächelte. »Das passiert häufig. Ich kann es selber bezeugen.«
Roland verfiel in Schweigen. Auch der König schwieg. Er hatte vor, dem Grafen von Clare und allen Markgrafen eine Lektion zu erteilen und ihnen alle Macht zu nehmen. Er, der König von England, wollte allein die Macht in Wales
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