Die Stimme des Blutes
übernehmen, Burgen zu ihrem Schutz erbauen und die verdammten Waliser in die Knie zwingen. Statt dessen mußte er sich hier mit einem Problem beschäftigen, das offenbar nicht zu lösen war - es sei denn ... »Vielleicht gibt es doch einen Ausweg. Wir können das Mädchen bis zur Geburt des Kindes bei uns aufnehmen. Wenn das Kind Ähnlichkeit mit Euch hat, könnt Ihr Daria unbesorgt heiraten. Wenn es dem Grafen von Clare ähnlich sieht - hat er nicht feuerrote Haare? - ist bewiesen, daß er es gezeugt hat.«
»Und was ist, wenn das Kind keinem von uns beiden ähnlich sieht? Oder wenn es nach der Mutter kommt?«
Der König murmelte einen Fluch. »Was meint Ihr dazu, Robbie?«
Robert Burnell, der sich bisher jeder Äußerung enthalten hatte, machte ein ausgesprochen unglückliches Gesicht. »Wollt Ihr eine Meinung hören, die den Standpunkt der Kirche wiedergibt?«
»Legt schon los, Robbie!«
»Die Kirche würde sagen, daß unabhängig von Rang oder angeblicher Unberührtheit die Frau der schuldige Teil ist. Sie würde die Frau verdammen und sie als Hure, Betrügerin und eine Schande für ihre Familie ansehen ...«
»Schweigt still, sag ich Euch!«
»Aber Roland«, verwies ihn der König ruhig, »Ihr behauptet doch, daß es Euer Kind nicht sein kann. Also hat sie gelogen. Robbie, was, meint Ihr, würde Stephen Langton in diesem Fall empfehlen?«
»Er würde zweifellos bestimmen, daß ihr die Mitgift entzogen und sie schimpflich von ihrer Familie verstoßen werde.«
Roland machte ein entsetztes Gesicht. »Das wäre ihr Tod - und der ihres Kindes.«
Achselzuckend gab Robert Burnell zu: »Ja, höchstwahrscheinlich.«
In vier Sprachen fluchend, ging Roland erregt im königlichen Zelt hin und her.
»Sehr gut«, sagte Edward, der ihn scharf beobachtet hatte. Seinem Freund schien das Mädchen keineswegs gleichgültig zu sein. Das brachte ihn auf eine Idee. Laut sagte er: »Ich sehe zwei Möglichkeiten. Die erste: Sie wird zu ihrem Onkel zurückgebracht. Die zweite: Sie wird dem Grafen von Clare wiedergegeben.«
Roland widersprach: »Wenn sie zu ihrem Onkel gebracht wird, bringt er sie um. Wenn der Graf von Clare sie bekommt und es stellt sich heraus, daß er zufällig nicht der Kindesvater ist, bringt auch er sie um.«
»Dann frage ich Euch beide«, sagte der König geduldig, »gibt es noch andere Möglichkeiten?«
Totenstille. Roland hörte draußen einen Soldaten lachen. Er trat vor den König.
Im selben Augenblick wußte Edward, daß Roland sich in das Unvermeidliche schicken wollte. Doch es widerstrebte ihm, seinen Freund in die Ecke zu drängen. Was war, wenn Roland nicht der Vater war?
»Na schön, ich weiß eine andere Möglichkeit. Ich heirate sie.«
Edward hob die Hand. »Doch vorher werde ich mir diesen Grafen von Clare genau ansehen. Man sagt mir große Menschenkenntnis nach. Nun, dann laßt mich dem Grafen von Clare auf den Zahn fühlen! Ich bin sicher, daß ich ihn durchschauen werde. Ich werde ihm ansehen, ob er der Vater ist. Vielleicht will er sie noch immer zur Frau nehmen, und wenn es sein Kind ist, das sie im Leib trägt, dann...«
»Sie sagt aber, daß sie für den Grafen nur Verachtung empfindet. Ihr würdet sie doch keinem Manne geben wollen, den sie haßt. Glaubt mir, er würde sie ständig mißbrauchen. Und wer wollte ihm Einhalt gebieten, wenn Ihr ihm den Rücken gekehrt habt?«
»Aber wenn sie aus einem uns nicht bekannten Grunde lügt, verdient sie es, so behandelt zu werden, wie er ...«
»Ich heirate sie«, wiederholte Roland fest.
Der König wandte den Kopf ab. Roland sollte nicht sehen, wie zufrieden er mit dieser Lösung war. Es war klar, daß Roland dem Mädchen zugeneigt war, unabhängig davon, wer der Kindesvater sein mochte. Und sie würde ihm eine ansehnliche Mitgift eintragen. Er, der König von England, würde dafür sorgen, daß er sie erhielt. Auf ein uneheliches Kind mehr oder weniger kam es nicht an, die Welt war voll von ihnen. Auch seine prächtige Tochter Philippa war unehelich geboren. Edward hoffte, es würde ein Mädchen sein. Dann brauchte Roland seinen Besitz später einmal nicht dem Sohn eines anderen Mannes zu vererben.
»Ja«, sagte Roland mehr zu sich als zu den anderen, »wahrscheinlich hat der Graf sie vergewaltigt und schämt sich jetzt, es zuzugeben.« Aber warum soll ich sie heiraten? Weil sie dich liebt, deshalb. Und weil sie glaubt, daß ihr keine andere Wahl bleibt.
Der König nickte Robert Burnell zu. »Schickt Eric zu Ihrer Majestät und
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