Die Stimme des Blutes
laßt ihr mitteilen, daß wir sofort Hochzeit halten werden, sobald Daria verständigt ist!«
Der König leerte sein Glas Wein. »Dieser Wein stammt von Graelam de Moretons Schwiegervater«, sagte er, um das betretene Schweigen zu beenden. »Er ist ausgezeichnet. Roland, Ihr werdet bald Nachbarn sein. Und dann wünsche ich, daß Ihr ein Auge auf meine liebe Tochter Philippa und ihren übelbeleumdeten Gatten haltet. Ja, de Fortenberry ist ein Halunke, aber das Mädchen wollte, wir Ihr wißt, ihn und keinen anderen haben. Sie heiratete ihn, und die Sache war erledigt.«
»Sire, als sie ihn heiratete, wußte sie aber noch nicht, daß Ihr ihr Vater seid. Und außerdem bin ich überzeugt, daß de Fortenberry Euch keine Schande machen wird.«
»Dennoch müssen wir ihn im Auge behalten«, sagte der König und sah schweigend zu, wie Roland sein unruhiges Hin- und Hergehen wieder aufnahm.
Plötzlich blieb er stehen. Die Königin war unerwartet ins Zelt getreten. Sie sah besorgt aus.
Schnell erhob sich der König und ging ihr entgegen. Dann sprachen die beiden leise miteinander.
Seufzend teilte Edward dann Roland mit: »Daria weigert sich, Euch zu heiraten.«
»Was«?
Eleanor erklärte: »Sie weigert sich deshalb, weil Ihr sie für eine Lügnerin haltet und in ihr nichts anderes als einen Gegenstand seht, den Ihr gegen Geld bei ihrem Onkel abliefern wollt. Sie sagt, dann will sie lieber ins Kloster gehen.«
»Vielleicht wäre es das beste«, sagte Edward.
Auf einmal sah Roland sie in dem kleinen walisischen Tal vor sich, wie sie genußvoll die reine Luft einatmete, herumtanzte und sich ihrer Freiheit freute. »Nein!« rief er. »In einem Kloster würde sie trübsinnig werden. Sie ist für ein Leben in Frömmigkeit nicht geschaffen. Es wäre Wahnsinn. Das ist nur ihr Trotz. Diese undankbare Dirne!«
»Aber Roland ...«
»Haltet den Priester bereit! Ich gehe zu ihr, verpasse ihr eine Tracht Prügel und bringe sie dann her. Ist sie in Eurem Zelt, Hoheit?«
»Ja, Roland«, sagte Eleanor knapp.
»Dieses verdammte Weib!« sagte Roland im Hinausgehen. »Sie macht mir mit ihrer Undankbarkeit und ihren Launen das Leben schwer! Ja, ich werde sie dafür verprügeln!«
Als er weg war, stellte die Königin fest: »Jetzt wird alles gut.«
Daria saß allein auf dem dicken flandrischen Teppich im Zelt der Königin und starrte auf das verschlungene lilarote Muster. Ob der König ihr den Eintritt ins Kloster gestatten würde? Und ihr Onkel -würde er sie dann dort unbehelligt lassen? Sie hatte gehört, daß Klöster für die Aufnahme einer Lady ihres Ranges große Summen forderten - sozusagen eine Mitgift, denn sie würde ja die Braut Gottes werden. Aber alles war besser als eine Ehe mit dem Grafen von Clare oder mit Ralph von Colchester. Dann dachte sie an Roland, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Doch was geschehen war, ließ sich nicht ändern, und sie allein trug die Verantwortung.
Als er ins Zelt stürmte, hob sie den Kopf. Ihre Miene blieb ausdruckslos. Sie hatte erwartet, daß er kommen würde. Hatte er ihr nicht angeboten, sich zu opfern? Klar, daß er jetzt zornig war, weil sie sein Opfer zurückwies. Aber sie durfte seine Großmut nicht ausnutzen. Es würde sie ehrlos machen.
»Hallo, Roland. Was willst du?«
Ihre ausdruckslose Miene und ihr trüber Blick gefielen ihm gar nicht. Er atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Dann sagte er ohne Erregung: »Ich will wissen, warum du der Königin solchen Unsinn erzählt hast.« Er hockte sich zu ihr. »Warum, Daria?« Sein Gesicht war dicht vor ihrem, doch er faßte sie nicht an.
»Du wirst es mir wohl nicht glauben, Roland, aber ich bin tiefreligiös. Ich suche die Wahrheit, und die kann ich nur im Kloster finden. Außerdem will ich noch nicht sterben. Du hast mir ja selber ausgemalt, was mit mir geschehen würde, wenn du mich zu meinem Onkel zurückbringst. Er würde mich umbringen, um an mein Erbe heranzukommen. Und ich weiß ganz sicher, daß der Graf von Clare, wenn man ihn zur Ehe mit mir zwingt, mich und mein ungeborenes Kind totschlagen würde, weil er weiß, daß es nicht von ihm ist. Nein, ich will noch nicht sterben. Ich bin noch so jung.«
»Ich biete dir einen anderen Weg. Von mir wirst du weder getötet noch geschlagen werden.«
Sie meinte an ihrem Schmerz ersticken zu müssen.
»Du wirst mich heiraten, Daria. Jetzt, auf der Stelle.«
»Nein, das kann ich auch nicht.«
»Dann ...« Die Wut brach aus ihm heraus. »Du willst doch nur die großherzige
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