Die Stimme des Blutes
Tyberton. Ich wünsche, daß der Graf von Clare Euch sieht. Er soll erfahren, daß Daria die Eure ist und er keinen Anspruch mehr auf sie hat. Und er soll wissen, daß Ihr in meiner Gunst steht.«
Roland fragte sich, wie der Graf reagieren würde. Manchmal wünschte er sich, daß der Mann gewalttätig werden würde. Er hätte gern mit ihm gekämpft und ihm den Schädel eingeschlagen. Er mußte seine Wut loswerden.
»Ich habe ein Zelt für Euch aufschlagen lassen, mein Freund. Dort werdet Ihr mit Eurer Braut die Nacht verbringen. Kommt, wir wollen jetzt zum Essen gehen und auf Eure Gesundheit und Eure Zukunft anstoßen.«
Das war das letzte, was Roland sich wünschte: die Nacht mit dem schwangeren Mädchen zu verbringen, das jetzt seine Frau war. Doch als er Daria den Sessel zurechtstellte, brachte er sogar ein Lächeln zustande. Das Bankett fand im Freien unter funkelnden Sternen und dem hellen Vollmond statt. Rings um das Lager des Königs brannten Fackeln. An den Tischen vergnügten sich rund hundert Gäste an den erlesensten Speisen. Roland erfuhr, daß sämtliche Speisen aus den Vorratskammern in Chepstow stammten. Offenbar hatte der König die Speicher der Burg regelrecht geplündert. Vielleicht würde der König ihn irgendwann in einer nebelhaften Zukunft in Cornwall besuchen und auch bei ihm die Hand nach den Speichern ausstrecken.
»Iß etwas, Daria!«
Sie nahm ein Stück Brot und kaute lustlos darauf herum. Als er sich von ihr abwandte, spuckte sie es auf die Erde.
»Du wirst morgen kein Wort sagen.«
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, daß wir morgen zum Grafen von Clare reiten. Fang dort ja nicht an, aufgeregt um mich herumzuflattern! Ich brauche von dir weder Rat noch Schutz.«
»Ich glaube nicht, daß ich je aufgeregt um dich herumgeflattert bin. Aber einmal habe ich dich mit Erfolg beschützt.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich möchte gern wissen, ob der Graf schon ahnt, daß du ein Kind von ihm bekommst. Wenn ja, könnte ich mir vorstellen, daß er vor Wut außer Rand und Band gerät.«
»Ich bekomme kein Kind vom Grafen. Daher gibt es auch keinen Grund für ihn, in Wut zu geraten. Abgesehen davon, daß er das Gefühl haben wird, man habe ihn zum Narren gehalten und ihn um meine Mitgift geprellt.«
Roland hob seinen Kelch und trank in großen Schlucken den Rotwein aus Aquitanien.
»Auf jeden Fall mußt du vorsichtig sein, Roland. Ich glaube, daß er nicht ganz normal ist. Wenn er dich zu Gesicht bekommt, wird er in dir die Verkörperung seines Unglücks sehen, und es ist leicht möglich, daß er sich dann zu unbesonnenen Handlungen hinreißen läßt.«
Roland hatte schon Bauchschmerzen, so sehr ärgerte er sich über sie. Bei den Heiligen, sie hatte nun alles erreicht, was sie wollte. Warum spielte sie immer noch die mißbrauchte Unschuld? Er stürzte den nächsten Kelch voll Wein herunter. »Wenn du wirklich nach einem einzigen Beischlaf schwanger geworden bist, mußt du sehr fruchtbar sein.«
»Ja. Oder du.«
Er fuhr zusammen, behielt sein Lächeln aber bei. »Dann wird es am besten sein, wenn ich mich recht oft mit dir vergnüge, solange du schwanger bist. Wenn du entbunden hast, werde ich dich bereits satt haben. Das wäre gut. Ich will nicht, daß mir nach zwölf Jahren ebenso viele Kinder am Rockzipfel hängen.«
Sie senkte den Kopf. Er wollte sie absichtlich verletzen. Und es war ihm auch gelungen. Aber sie wollte nicht, daß er es merkte.
»Ihr wart sehr gütig zu mir, Eure Hoheit«, sagte Daria später zur Königin von England. »Ich danke Euch von ganzem Herzen.«
»Macht Euch keine Sorgen, mein Kind! Wir sehen uns bald wieder. Entweder kommt Ihr und Roland nach London, oder vielleicht besuchen mein Lord und ich Euch in Cornwall. Und jetzt, meine Liebe, erlaubt, daß meine Damen Euch für die Nacht herrichten!«
Mit diesen sachlichen Worten überließ die Königin von England Daria den Bemühungen zweier Hofdamen. Diese Damen waren weniger zurückhaltend als ihre Herrin. Sie hatten eine Menge Wein getrunken, kicherten viel und überschütteten Daria mit Ratschlägen, wie man einen Mann zur tollsten Wollust treiben könne.
Als Roland draußen das Frauengelächter hörte, blieb er vor dem Zelt stehen. Dann vernahm er Darias leise Stimme. Sie fragte unsicher: »Aber Claudia, wie soll ich denn das machen? Ihn einfach bitten, es mir in den Mund zu schieben? Kann ich ihm dabei nicht mit den Zähnen weh tun?«
»Ach was! Ihr braucht es nur erst mit den
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