Die Stimme des Blutes
ihm auszuziehen. Sie wußte genau, was er wollte. Er würde sie heute nacht nehmen. Aber nur, weil sie gerade da war und ihm gehörte. Ebensogut hätte er seine Begierde an jeder anderen Frau gestillt.
Doch da er ihr Mann war, mußte sie das Beste daraus machen. Mit kalten, ungelenken Fingern löste sie die Bänder an ihrem Überrock und zog ihn sich über den Kopf. So ungeschickt stellte sie sich an, daß sie mit den Schnüren am Mieder des Kleides nicht fertig wurde.
Und ihr Gatte lag einfach da und schaute ihr zu, als berührte ihn das alles nicht, als käme es ihm nur darauf an, daß sie seine Befehle ausführte, weil er und nicht sie der Herr war.
Auf einmal hatte sie von alldem genug. Seine Miene war so kalt und abweisend wie die Gewässer der Nordsee. Flüsternd sagte sie: »Nein, ich kann nicht.« Da richtete er sich ruckartig auf. Langsam, ganz langsam sank sie auf die Knie nieder, schlug die Hände vor das Gesicht und begann lautlos zu weinen.
Roland fuhr zurück, als hätte er einen Schlag erhalten. Da hockte seine Braut auf dem Fußboden und heulte! »Verfluchte Dirne«, sagte er voll Zorn. »Du hast doch alles bekommen, was du haben wolltest. Ich weiß zwar nicht, warum du unbedingt mich zum Gatten ausersehen hast, aber jetzt hast du mich nun mal. Hör auf zu heulen! Ich lasse mir das nicht bieten! Weibertränen sind weiter nichts als pure Heuchelei.«
Ihr fiel ein, was ihre Mutter ihr gesagt hatte: Ein Mädchen sollte sich nie vor ihrem Gatten gehen lassen und Tränen vergießen. Sie riß sich zusammen und sagte: »Ja, ich höre schon auf. Es tut mir leid, Roland.«
Langsam stand sie auf und zog sich das Kleid aus. Er schwieg, ließ aber kein Auge von ihr. Jetzt hatte sie nur noch das bis zur Mitte der Oberschenkel reichende Leinenhemd an, und er konnte schwach ihre Brustspitzen und das dunkle Dreieck zwischen ihren Beinen hindurchschimmern sehen. Er wollte aber alles sehen. »Zieh das Hemd aus!«
»Ich kann nicht.«
»Was kannst du nicht? Du bist doch keine Jungfrau mehr! Was soll diese Schamhaftigkeit? Oder willst du lieber, daß ich dir das Hemd ausziehe?«
»Nein. Es ist das einzige, was ich habe. Ich muß sorgsam damit umgehen.«
»Zieh es aus, Daria! Du weißt genau, daß du vorhin vor Gott geschworen hast, mir in allen Dingen gehorsam zu sein!«
Doch sie fühlte sich erniedrigt. Bilde dir einfach ein, du wärst allein! Stell dir vor, er wäre gar nicht da und sähe dir nicht zu! Sie ließ das weiche Leinenhemd zu Boden gleiten und sah an ihm vorbei. Ihr Geist trennte sich von dem nackten Mädchen, das da im Zelt stand, um sich von einem Mann mustern zu lassen, der sie von Herzen verabscheute, sie für eine Lügnerin und ein ehrloses Weib hielt.
Roland verschlang sie mit den Blicken, fast gegen seinen Willen. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, daß sie eine so hübsche Figur besaß. Sie hatte hohe, volle Brüste, weiß wie ihr ganzer Leib, und die Spitzen waren zartrosa. Allerdings war sie zu dünn. Er konnte ihre Rippen zählen. Die Brüste schienen beinahe zu schwer für den zierlichen Körper. Doch das störte ihn nicht. Ihre Beine waren lang mit glatten Muskeln. Das gefiel ihm. Er hafte mit vielen Frauen im Bett gelegen, deren weiße Körper weicher gewesen waren, zu weich.
Daria war fest gebaut, sie wirkte kräftig und geschmeidig. Er stellte sich vor, wie sie die Beine fest um seine Hüften schlang, und sofort spannten sich seine Muskeln, und sein Geschlecht schwoll an und richtete sich auf. Er verlangte nach ihr. Allerdings hätte er nach jeder anderen einigermaßen nett anzusehenden Frau, die nackt vor seinem Bett stand, ebenso verlangt.
»Komm her!« sagte er. »Jetzt will ich mir genau ansehen, was ich mit meiner ganzen Zukunft erkauft habe.«
»Du vergißt dabei, daß dir mein Geld eine viel schönere Zukunft ermöglicht, als du je erwarten konntest.«
»Ja, aber dafür zahle ich mit Leib und Seele, Daria, und das lebenslang. Ich habe dir gesagt, du sollst herkommen! Heute nacht muß ich dich wenigstens einmal nehmen, obwohl ich nicht besonders scharf darauf bin. Ich tue es nur aus Pflichtgefühl.«
»Du könntest dir ja wieder vorstellen, ich wäre Leila.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt«, entgegnete er in verzweifelter Wut, »daß du ihr nicht im mindesten ähnlich bist. Wenn du jetzt nicht kommst, wirst du es bereuen!«
»Willst du mich schlagen wie mein Onkel oder wie der Graf von Clare?«
Der Magen drehte sich ihm um. Er stand auf und ging auf sie zu.
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