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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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gespielt?«
    »Ja.«
    »Und habt Ihr die Rolle gut gespielt?«
    »Größtenteils ja. Allerdings kam mir zugute, daß der Graf kein Latein versteht. So konnte er auch nicht merken, wenn ich mich bei der Messe verhaspelt habe. Nein, nur Daria hat mich auf der Stelle durchschaut.«
    »Daria! Das ist doch Unsinn! Es gibt keine Frau, die Gottes Wort versteht! Ihr belügt den König und mich. Ich habe alle Eure Irrtümer sehr wohl gemerkt. Aber in meiner Güte und in meinem Großmut wollte ich Euch nicht blamieren. Ich nahm an, daß Euch meine Gegenwart nervös gemacht hatte. Sire, übergebt mir den Mann, und ich werde ihn kurz und gerecht aburteilen!« Unfähig, sich länger zu beherrschen, schrie er laut: »Ich verlange, daß Ihr mir diesen Mann ausliefert, Sire!«
    »Einen Augenblick, Mylord«, sagte Edward. »Hört mir gut zu, denn ich habe genug von Euren Beschwerden, und Ihr habt vom König gar nichts zu verlangen. Dieser Mann ist Roland de Tournay, mein Gefolgsmann. Ich und kein anderer habe ihn ausgesandt, um Daria aus Eurer Gefangenschaft zu befreien. Ihr Onkel, der Graf von Reymerstone, hatte mich um Hilfe gebeten, und ich habe sie ihm gewährt. Ich sagte Roland, er dürfe jedes Mittel anwenden, das er zur Erfüllung seines Auftrags als notwendig betrachtet. Natürlich wünschte ich kein Blutvergießen. Nun, er hat seine Aufgabe glänzend gelöst.«
    Roland sagte kein Wort. Voll Bewunderung blickte er den König an. So viel Geistesgegenwart hätte er Edward gar nicht zugetraut.
    Nach dieser Erklärung des Königs konnte der Graf von Clare natürlich keine Forderungen mehr stellen. Roland war über Edwards Eingreifen teils verärgert, teils amüsiert. Denn jetzt sah es so aus, als müßte der Graf an seinem Haß und seiner ungeheuren Enttäuschung ersticken.
    Edward hätte den beiden Männern nie gestattet, einen Zweikampf auszutragen. Zweifellos hätte Roland dabei den Grafen erschlagen. Er war jünger, stärker und gewitzter. Der König brauchte den Grafen von Clare aber noch zur Abwehr der walisischen Räuberbanden. Wenigstens so lange, bis er selber hier Burgen errichten und die Macht übernehmen konnte. Danach könnte der Graf von ihm aus in einem Sumpf in Wales versinken. Aber jetzt brauchte er ihn noch lebend. Außerdem bekam er dadurch Roland fester in die Hand. Der begabte Bursche konnte dem König nach seinem Eintreten für ihn nichts mehr abschlagen. Edward stellte sich das Gesicht des Grafen vor, wenn er ihm erklärte, daß das strittige Kampfroß sein Eigentum wäre und es Roland nur geliehen hätte.
    Deshalb lächelte der König jetzt dem Grafen huldvoll zu. Er pflegte einen Mann nur dann zu knüppeln, wenn es unbedingt notwendig war. Ein König konnte es sich leisten, nach einem Sieg Gnade vor Recht ergehen zu lassen. »Ihr seht also, Mylord«, sagte er, »daß Roland nur einen Auftrag erledigt hatte. Sollte er dabei Eure religiösen Gefühle verletzt haben, so werde ich ihn streng zurechtweisen. Übrigens hat er sich offenbar in Daria verliebt und sie sich in ihn. Nachdem er sie befreit hatte - er hat dabei ein gebücktes altes Weib gespielt, wißt Ihr das? - nun, danach brachte er sie zu mir. Und gestern abend, Mylord, wurden die beiden durch einen Priester, einen echten Benediktiner, getraut.«
    Wutentbrannt schaute der Graf zu Daria hinüber. Sie hatte also diesen Roland de Tournay geheiratet und mit ihm geschlafen. »Sire«, sagte er mit erstickter Stimme, »die beiden haben ein Bauernmädchen in Darias Hochzeitskleid gesteckt. Wenn die kleine Schlampe nicht hinter ihrem Schleier gekichert hätte, hätte ich nichts gemerkt und wäre mit ihr getraut worden!«
    »Ein bildhübsches Kind, Mylord«, warf Roland ein. »Ich habe sie selber ausgesucht.«
    Der König grinste. Dann räusperte er sich und sagte in ernstem Ton: »Was habt Ihr mit dem Bauernmädchen gemacht, Mylord? Ich will hoffen, daß Ihr ihr nichts angetan habt.« Der Graf von Clare bekam einen roten Kopf. Denn während seine Krieger und Diener beim Festschmaus saßen, hatte er Tilda in sein Zimmer geholt und sich an ihr gütlich getan. Was hatte sie denn anders erwartet, nachdem er ihren bösen Streich entdeckt hatte? Jeder andre Mann hätte sie totschlagen lassen. Der Graf schüttelte sich wie ein naßgewordener Hund und schrie: »Daria! Komm sofort her!«
    Die Königin drückte ihr beruhigend die Hand. Sie und Daria hatten den Wortwechsel zwischen den Männern nicht hören können.
    »Ja«, rief der König, »Daria soll herkommen!

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