Die Stimme des Blutes
diesem Gebiet. Möchtest du sie gern danach fragen, Roland? Ich muß dir sagen, dein ewiges Mißtrauen paßt mir nicht!«
Seine Augen waren so kalt wie eine mondlose Nacht. »Du bleibst hier. Ich muß zum König zurück. Übrigens ist es nicht wahr, daß du weniger als Nichts wert wärst. Hast du denn schon vergessen, welche Schätze du mir in die Ehe einbringst?« Und damit ging er.
Daria hatte immer noch Schmerzen an der Kinnlade, aber sie waren nicht mehr ganz so schlimm. Sie stand an dem offenen Fensterspalt, wo sie so oft hilflos geweilt hatte, und schaute in den Burghof hinunter. Urplötzlich bekam sie Magenkrämpfe. Übelkeit überfiel sie von einem Augenblick zum anderen. Sie stürzte zum Nachttopf und erbrach das bißchen, was sie an diesem Tag zu sich genommen hatte. Sie kniete noch über dem Topf, als die Kammertür aufging. Sie wußte, es war Roland, und hörte wie er schnellen Schritts zu ihr eilte. Er legte ihr die Hand auf die Schulter.
Ein neuer Anfall überkam sie. Zitternd und schaudernd würgte sie, aber es kam nichts mehr heraus. Ihr Magen war leer. Sie fühlte sich schwach, kam sich albern vor, war aber gleichzeitig so teilnahmslos, daß sie sich nicht darum kümmerte, ob ihn ihr Zustand möglicherweise abstieß. Schweiß rann ihr über den Rücken und zwischen den Brüsten hinab.
»Komm!« sagte er, half ihr beim Aufstehen, schleppte sie zum Bett und legte sie wieder hin. Sie schloß die Augen. Sie wollte ihn nicht sehen. Sie wollte auch nicht, daß er sie so sah, grün im Gesicht, zittrig und schwach wie ein gebrechliches altes Weib.
Er legte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn und sagte: »Hier, du mußt etwas trinken. Es ist nur kaltes Wasser.«
Sie nahm einen Schluck. Wieder stülpte sich ihr Magen um. Keuchend sprang sie aus dem Bett und rannte zum Nachttopf.
Roland sah untätig zu. Noch nie im Leben hatte er sich so hilflos gefühlt. Ihr Körper zuckte in Krämpfen, und das eben getrunkene Wasser erbrach sie sofort wieder. Hier war er fehl am Platz. Er wandte sich ab und ließ sie allein.
Daria kümmerte sich nicht darum. Langsam fiel sie zur Seite. Ihr Kopf lag auf dem kalten Steinfußboden. Auch das war ihr gleich. Die Kühle am Gesicht war sogar angenehm. So lag sie da, ohnmächtig gegen die Schwäche ihres Körpers, aber zufrieden, daß sie sich nicht mehr über den Topf beugen mußte. Nach einigen Minuten legte sie vorsichtig die Hand an ihren Bauch. »Mein Kind«, sagte sie leise und kam sich dabei sowohl lächerlich als auch irgendwie glücklich vor, »jetzt hast du dich endlich bei mir gemeldet. Es wäre mir aber lieber gewesen, wenn du es nicht ganz so stürmisch getan hättest.«
Dann erschien die Königin persönlich, mit Roland im Schlepptau. »Ach, mein armes Kind«, sagte Eleanor bedauernd und voll Mitgefühl. »Legt sie aufs Bett, Roland! Gleich wird es ihr besser gehen.«
Daria widersetze sich nicht. Sie nahm keine Notiz von der Anwesenheit der Königin. »So, nun geht mir aus dem Weg! Ich gebe ihr etwas zu trinken.«
»Nein, bitte nicht«, sagte Daria und schlug mit schwacher Hand nach der Flasche der Königin.
»Es wirkt beruhigend auf den Magen, meine Liebe, glaubt es mir! Ich habe Euch doch gesagt, daß ich auf diesem Gebiet große Erfahrung habe, nicht wahr? Trinkt jetzt! So ist es gut. Langsam, in kleinen Schlucken. Sehr gut. So, das ist genug. Jetzt legt Euch lang und schließt die Augen!«
Die Königin freute sich über Rolands Reaktion auf die Übelkeit, die seine Frau befallen hatte. Er war in den großen Saal gestürzt und war dem König einfach ins Wort gefallen. So besorgt war er um Daria gewesen. »Keine Sorge, Roland«, sagte Eleanor nun. »Bald ist sie wieder auf dem Damm. Wichtig ist, daß sie häufiger ißt. Immer kleine Portionen. Ich gebe Euch die Zutaten zu dem Trunk, den ich ihr eben verabreicht habe. Wenn es ihr wieder schlecht geht, könnt Ihr ihn selber zubereiten.«
Roland war entsetzt. »Sie wird noch öfter solche heftigen Anfälle bekommen?«
»Leider ist das so. Nach einem Monat läßt das aber nach.«
Daria stöhnte laut. Noch einen Monat!
»So, meine Liebe«, fuhr die Königin fort, »eine meiner Damen wird Euch gleich etwas zu essen bringen. Ihr dürft immer nur wenig zu Euch nehmen und müßt langsam essen. Ich lasse Euch jetzt mit Eurem Gatten allein. Er hat große Angst um Euch gehabt.«
Roland bedankte sich bei der Königin, nahm das Essen von Damaris entgegen und ging zum Bett seiner Frau. Wie sie da so lag, die Augen
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