Die Stimme des Blutes
schlug die Augen auf und sah ihn verwundert an. »Ich fühle mich auf einmal sehr wohl. Es ist komisch mit diesen Beschwerden. Eben möchte ich am liebsten sterben, und im nächsten Augenblick könnte ich Bäume ausreißen.«
»Ich bleibe bei dir. Wenn es nicht regnete, würde ich mit dir im Freien lagern. Aber unter diesen Umständen müssen wir uns mit dieser Unterkunft zufrieden geben.«
Er fütterte sie und war erleichtert, als sie wieder Farbe bekam.
Salin kehrte zurück, in beiden Armen einen Stapel von Decken. Daria konnte schon wieder lächeln.
Roland sagte zu Salin: »Sieh zu, daß sich die Männer einrichten! Und achte darauf, daß keiner die Mönche belästigt! Wenn ein Bruder sie ärgert, sollen sie ihn nicht beachten. Die Heiligen wissen, daß wir sie am liebsten alle bestrafen würden. Eigentlich müßten sie die Nacht hier mit uns in der Zelle verbringen.«
Kurz darauf löschte Roland die einzige Kerze. Er hatte sich auf dem elenden Bett auf die andere Seite gezwängt und hielt Daria fest im Arm. Ihr Gesäß drückte er an seinen Bauch. Er hatte sämtliche Decken ausgebreitet. Unabsichtlich küßte er ihr Ohr. »Schlaf gut!«
Daria fragte flüsternd: »Schnarchst du manchmal, Roland?«
»Weiß ich nicht. Du kannst es mir ja sagen.«
»Du hättest mal mit Ena in einem Zimmer schlafen sollen. Das ist eine Tortur! Meine Mutter hat mir erzählt, daß Enas Mann sie wegen ihrer tierischen Schnarchgeräusche verlassen hat.«
Roland zog sie noch enger an sich. Sie drückte ihr Gesäß fest an seinen Unterleib. »Lieber nicht!« sagte er gequält. »Tu das nicht!«
Sie fühlte sein steif gewordenes Geschlecht und hielt sich ganz still. Nicht noch einmal wollte sie so gedemütigt werden wie in der Hochzeitsnacht. Nur allzugut erinnerte sie sich noch, wie sie sich geschändet gefühlt hatte. Sie mußte diese Nacht vergessen. Seitdem war er ja immer freundlich zu ihr gewesen. Ob wohl alle Frauen immer nach Entschuldigungen für ihre Männer suchten, wenn sie sich wie Raubtiere aufgeführt hatten?
Roland weckte sie am nächsten Morgen bei Tagesanbruch. In der Nacht hatte es aufgehört zu regnen, aber die Sonne verbarg sich hinter dicken grauen Wolken.
»Bleib noch ein paar Minuten liegen! Was macht dein Bauch heute morgen?«
»Kann ich noch nicht sagen.«
Er erhob sich vom Bett. »Ich muß jetzt gehen. Du bleibst so lange liegen, bis Salin dir warme Milch und Brot bringt.«
Sie haschte nach seinem Ärmel. »Vielen Dank, Roland. Du bist sehr nett zu mir.«
»Es behagt mir eben nicht, daß meine Frau so schlecht untergebracht wird.«
»Obgleich du annimmst, daß ich das Kind von einem anderen Mann habe?«
»Du hast keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen, Daria.«
Den ganzen Tag über verhielt sich ihr Magen ruhig. Roland ließ die Reisegesellschaft alle zwei Stunden eine Pause einlegen, als wüßte er genau, wann Daria sich erleichtern oder ein wenig die Beine vertreten wollte.
Am Abend hatte sich der Himmel aufgeklärt. »Wir werden unser Lager in dem Ahorngehölz aufschlagen«, sagte er.
In dieser Nacht hielt er sie nicht in seinen Armen, denn es war warm, und nur eine milde Brise rauschte durch die Ahornblätter über ihren Köpfen. Er fehlte Daria. Doch sie sagte nichts.
Als sie zwei Tage später eine Anhöhe hinaufritten, erblickte Daria in der Ferne eine prachtvolle normannische Burg. Stolz und kraftvoll erhoben sich die mit Zinnen bewehrten Türme über den dicken Steinmauern.
»Das ist Graelam de Moretons Burg Wolffeton. Dort bleiben wir, bis wir meine Burg beziehen können. Die Burgherrin heißt Kassia.«
»Die Königin war der Meinung, du würdest mich nach St. Erth bringen.«
Er schüttelte den Kopf. »Du wirst Dienwald und Philippa bestimmt noch kennenlernen, aber vorläufig bleiben wir hier.«
Daria schaute sich um. Sie liebte Cornwall. Das Land sprach alle ihre Sinne an. Die steife Meeresbrise wühlte in ihren Haaren, die Salzluft schmeckte rein. Diese Gegend erwärmte ihr Herz. Sie fühlte sich hier heimisch.
»Ist deine Burg weit entfernt?«
»Nein, nicht weit. Es macht dir nichts aus, daß es hier wild und rauh aussieht?«
»O nein, überhaupt nicht.«
»Das ist gut, denn dies wird deine neue Heimat werden.«
Sie war zufrieden. Leider wollte es ihr Schicksal, daß sie den Lord
und die Herrin von Wolffeton in einem Augenblick kennenlernte, als ihr Magen wieder revoltierte und sie vor Schmerzen die Augen schließen mußte. Denn kaum hatte Roland ihr im Burghof von
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