Die Stimme des Blutes
umgaben. Ein Mönch kam ans Tor. Roland stieg ab und sprach mit ihm. Minuten später kam ein zweiter Mönch und winkte Daria, ihm zu folgen. Er führte sie zu einem abstoßenden, niedrigen grauen Nebengebäude weit abseits des eigentlichen Klosters. Über einen engen, feuchten Flur kamen sie zu einer kleinen Zelle. Sie war mehr als trübselig und elend kalt. Ein dritter Mönch brachte ihr Essen, das aus einer dünnen Brühe und hartem Schwarzbrot bestand.
Oben auf der Brühe schwamm ein Belag von geronnenem Fett. Bei diesem Anblick verkrampfte sich Darias Magen. Sie wandte sich ab und setzte sich auf die Bettkante. Das Stroh in der dünnen Matratze war faulig und feucht, und die Halme stachen heraus.
Daria hatte Hunger, sie fror, und ihr war zum Heulen elend zumute. War es denn Gottes Wille, daß man Frauen so schlecht behandelte? Wurden die Frauen für etwas bestraft, von dem sie überhaupt nichts wußten?
Sie schauderte vor Kälte. Als sie aufsah, fiel ihr Blick wieder auf das geronnene Fett. Schon kam ihr alles hoch, was sie am Nachmittag zu sich genommen hatte. Mit Mühe und Not schaffte sie es noch rechtzeitig zu dem irdenen Topf. Als alles draußen war, blieb sie auf den Knien hocken. Sie versuchte flach zu atmen und sich abzulenken, indem sie an andere Dinge dachte. Vor ihrem geistigen Auge erschien der Bauer, der ihr und Roland zur Flucht verholfen hatte. Sie sah seinen von der Folterung verstümmelten Körper vor sich. Sofort setzten die Magenkrämpfe in noch größerer Stärke ein. Sie mußte unaufhörlich würgen und begann vor Schwäche zu zittern.
»Wo ist die Flasche, die die Königin dir mitgegeben hat?«
Daria blickte nicht hoch. Er hätte nicht kommen sollen. Sie wollte allein sein, sie wollte am liebsten einsam sterben. Ein neuer Krampf schüttelte sie. Eine Zeitlang konnte sie weder sprechen noch auch nur einen Gedanken fassen.
Diesmal hatte Roland noch mehr Angst um sie als am vergangenen Abend. Er sagte zu Salin, der hinter ihm stand: »Hol Wasser und saubere Tücher! Und bring auch gleich anständiges Essen mit, eine richtige heiße Brühe!« Angeekelt betrachtete er die Suppe auf dem
Tablett. »Wenn ich dieses abscheuliche Zeug essen müßte, würde ich meine sämtlichen Gedärme auskotzen. Salin! Sollten die Mönche irgendwas sagen, was dir nicht gefällt, dann brich ihnen das Genick!«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie wollte sich aufrichten, aber es war ihr unmöglich. Sie ließ den Kopf hängen und zitterte wie welkes Herbstlaub.
Er trug sie zum Bett, setzte sich hin und nahm sie auf den Schoß. »Dieses verdammte Bett ist ja härter als ein moosbedeckter Felsbrocken in Wales.« Erst jetzt merkte er, wie kalt es in der Zelle war.
Hier drin würde Daria krank werden. Dabei hatte der Abt ihm versichert, seine Frau wäre gut untergebracht. So ein verlogener Hurensohn! Was war zu tun?
Daria wand sich in Magenkrämpfen. Er tröstete sie, es werde vorübergehen, bald werde sie sich wieder besser fühlen. Sie wurde tatsächlich ruhiger, und er zog sie näher an sich.
Dann legte er sie aufs Bett und sagte: »Ich hole dir jetzt den Heiltrunk der Königin.« Sie sah erschreckend blaß und dünn aus. Nachdem er ihr die Medizin eingegeben hatte, kam Salin zurück.
»Du mußt ein paar Minuten ruhig liegenbleiben, Daria. Die Brühe soll ein wenig abkühlen. Danach wird gegessen. Salin, wir unterhalten uns draußen.«
Im Freien berichtete Salin sachlich: »Einer der Mönche hat mir gesagt, daß es sich um eine Strafzelle handelt. Sie wird nur belegt, wenn ein Bruder eine Sünde begangen hat. Erst wird er ausgepeitscht, dann kommt er für einige Stunden in diese oder eine andere Strafzelle. Aber nie eine ganze Nacht lang. Außerdem werden da drin Frauen untergebracht, die das Pech haben, hier übernachten zu müssen. Eure Gattin wird sich dort todsicher eine Krankheit zuziehen.«
»Das Kloster gehört ihnen. Deshalb können wir nicht gegen ihre Regeln verstoßen, und wenn sie noch so unmenschlich sind. Ich kann Daria also nicht ins Hauptgebäude bringen und werde deshalb über Nacht bei ihr bleiben. Hol mir alle Decken, die ihr erübrigen könnt! Und, Salin, sage unseren Gastgebern nichts davon!«
Danach kehrte Roland zu seiner Frau zurück. Sie lag immer noch still auf der Seite und sah die trübe, rohe Steinwand an. Sie hatte sich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr erbrechen müssen. Ein gutes Zeichen, dachte er.
»Jetzt ißt du etwas von der Brühe, Daria.«
Sie
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