Die Stimme des Daemons
vielleicht etwas war, das sie hörte, ein Geräusch, das sich von draußen ihrer Zelle näherte.
»Halt durch, MaryAnn«, flüsterte er eindringlich. »Dad ist gleich da.«
Zack und Sam stürmten durch die Gänge zurück wie die Stiere von Pamplona, von Angst und Wut getrieben und wild entschlossen, jeden aufzuspießen, der sich ihnen in den Weg stellte.
104
MaryAnn wich verängstigt zurück, als plötzlich die Zellentür aufging und der muskulöse Mann mit dem kahl rasierten Kopf eintrat.
Sein Boss folgte dicht hinter ihm, eine bleiche geisterhafte Gestalt, deren eingefallenes Gesicht sie an einen Barrakuda erinnerte.
»Es ist Zeit für dich, dass du mit mir kommst, MaryAnn«, sagte der Geist. »Wir werden uns bald mit deinem Vater treffen.«
Mary Ann schüttelte heftig den Kopf; sie glaubte kein Wort, das aus den dünnen farblosen Lippen des Mannes kam.
»Sei nicht trotzig, MaryAnn«, drohte er mit eisiger Stimme. »Du warst bis jetzt ein braves Mädchen, und ich habe dich auch so behandelt.«
MaryAnn unterdrückte ein Schluchzen. Ihre Haut kribbelte unangenehm in den schmutzigen Kleidern und ihr ganzer Körper schmerzte vor Hunger und Durst. Und vor allem sehnte sie sich danach, dass ihre Eltern endlich kamen und sie von hier wegbrachten.
MaryAnn hätte alles dafür gegeben, wieder zu Hause zu sein, in ihrem Bett, ihrem Badezimmer mit Shampoos, Seifen, Zahncreme und Zahnseide.
Neben ihr regte sich etwas. Sie hatte erneut Gewissensbisse, weil sie genau wusste, dass sie mehr als ihre Hälfte von dem wenigen gegessen hatte, das man ihnen gebracht hatte. Die Frau kümmerte sich um sie wie eine
Mutter – sie hatte sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um ihr zu helfen, als sie versucht hatte zu flüchten.
Der Geist wandte sich seinem Wächter zu. »Nimm sie mit.«
Der muskelbepackte Mann trat vor und zog ihr die blaue Decke weg. Sie schrie und trat mit ihren dünnen Beinen nach ihm, als er nach ihr griff.
Da hörte MaryAnn ein drohendes Knurren, und im nächsten Augenblick sah sie neben sich eine wütende Gestalt, die sich mit Zähnen und Klauen auf den Mann stürzte. Der Wächter stieß einen lauten Schrei aus und versuchte verzweifelt, den Dämon abzuwehren, der über ihn herfiel.
MaryAnn sah schockiert zu und erkannte die Frau kaum wieder, die den viel stärkeren Mann kratzte und biss wie ein wildes Tier. Sie verfolgte den Kampf so gebannt, dass sie völlig unvorbereitet war, als der Geist sie an den Haaren packte und vom Bett riss.
MaryAnn schrie auf vor Schmerz und schlug verzweifelt mit den Beinen um sich, als der Mann sie über den Lehmboden zerrte. Bei der Zellentür angekommen, zog er sie mit einem so kräftigen Ruck hinaus, dass sie in den Tunnel geschleudert wurde.
MaryAnn rollte über den Boden und schlug hart gegen die Wand. Hinter ihr ging die Zellentür zu, sodass sie die Geräusche von dem erbitterten Kampf kaum noch hörte, der immer noch drinnen tobte. Als sie aufblickte, sah der Geist grinsend auf sie herunter; seine kleinen scharfen Zähne waren von dem gleichen blassen Weiß wie seine Haut.
MaryAnn rief sich in Erinnerung, was die Frau ihr gesagt hatte, und stürzte sich auf ihren Entführer.
Doch der Geist zuckte nicht einmal mit der Wimper, und als MaryAnn nahe genug bei ihm war, schoss eine harte Faust hervor und traf sie an der Seite des Kopfes.
MaryAnn fiel auf die Knie, verdrehte die Augen und sank in tiefe Dunkelheit.
105
Sam war kaum eingestiegen, als der Mercedes losbrauste und in Richtung Waterfront Park fuhr.
»Habt ihr ihn gefunden?«, fragte Davey.
Sam drehte sich auf seinem Sitz um, und der Schmerz in den Rippen ließ ihn zusammenzucken. »Lucas hält meine Familie unter der Union Station fest. Führt dein Tunnel dorthin?«
Davey nickte. »Ja. Lucas ist ein übler Typ. Er hat seine Leute auf mich gehetzt, als ich zu tief hineinging. Ich muss jetzt wirklich vorsichtig sein.«
»Ist das vielleicht der Grund, warum er dich töten wollte?«, dachte Sam laut. »Nicht wegen der Highschool, sondern weil du in sein Reich eingedrungen bist?«
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte Davey achselzuckend.
»Du warst ja nicht einer der Götter«, fuhr Sam fort. »Lucas hat einfach nur eine Gelegenheit gesehen, dich auf diese Art loszuwerden.«
»Na toll«, sagte Davey sarkastisch.
»Wir müssen ihn aufhalten, Davey. Du musst uns in den Tunnel führen. Würdest du den Weg noch finden?«
Davey tippte sich an den Kopf. »Und ob ich den finde.«
Zack nahm
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