Die Stimme des Feuers
zärtlich die Hand gestreichelt. Jetzt war er immer noch unten und besprach mit seinen Männern verschiedene Angelegenheiten. Sie zog den Gürtel ihres Nachthemds enger um die Taille und kroch unter die Decke. Sie war schon beinahe eingeschlafen, als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
»Ich hatte gehofft, du würdest schon schlafen«, sagte er.
»Nein.« Mehr brachte sie nicht heraus.
»Hast du Heimweh nach Belleterre und deinem Vater?«
Sie nickte und hoffte, er sähe nicht, wie nervös sie war.
Er stellte die Kerze auf den Schachtisch und fing an, sich auszukleiden. Als er mit nacktem Oberkörper dastand, hörte er, wie sie nach Luft schnappte. Freundlich fragte er: »Hast du deinen Vater oder seine Gäste nie im Bad bedient?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du hast noch nie einen nackten Mann gesehen?«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
Er sah, daß sie Angst hatte. Ungewohntes Mitleid erfaßte ihn. Langsam ging er zum Bett und setzte sich neben sie. »Hör zu, Kassia«, sagte er. »Du bist jung und unschuldig. Dein Mann ist ein Fremder für dich, und du lebst unter lauter Fremden. Mußt du dauernd meine Brust anstarren?«
»Entschuldigt, Mylord«, flüsterte sie.
Allmählich wurde er ungeduldig. Sie brauchte sich doch nicht wie ein geprügeltes Hündchen zu benehmen! »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte er barsch. »Ich will heute in meinem Bett schlafen, aber du hast nicht zu befürchten, daß ich dich anrühre. Du mußt dich erst an meinen Körper gewöhnen. Erst wenn du völlig gesund bist und wieder Fleisch auf den Rippen hast, wirst du meine Frau.«
Dann stand er auf und zog sich völlig aus. »Sieh mich an, Kassia!« sagte er.
Kassia hob den Blick. Er stand vor dem Bett und zeigte sich ihr völlig ungezwungen in seiner Nacktheit. Als er ihren Blick über seinen Körper wandern sah, wurde sein Glied gegen seinen Willen steif. Rasch legte er sich neben sie ins Bett. Er hörte ihr hastiges, unregelmäßiges Atmen.
»Die Narbe, Mylord«, sagte sie zögernd. »Wo habt Ihr sie Euch zugezogen?«
»Bei einem Turnier in Frankreich vor ungefähr zehn Jahren. Ich war unaufmerksam, und mein Gegner nutzte den Vorteil blitzschnell aus.«
»Und die Narbe an Eurer Schulter?«
»Das ist das Geschenk einer Dame. Eine lange Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie dir eines Tages. Jetzt mußt du schlafen, Kassia! Wenn du dich morgen stark genug fühlst, reiten wir aus.«
»Ja, Mylord.«
Doch sie schloß erst die Augen, als sie seinen tiefen, gleichmäßigen Atem hörte. Sie stellte sich seinen Körper vor, der so verschieden von ihrem war, und ihr Gesicht wurde heiß. Sie war behütet aufgewachsen. Bei Männern war das offenbar anders. Blanche hat recht, dachte sie. Er würde ihr weh tun. Sie malte sich die Szene aus, wenn er über sie kam, so wie der Hengst die Stute deckt, und in ihren Körper eindrang, und zitterte vor Angst. Wie würde sie die Schmerzen ertragen?
11
Kassia lachte hell auf, als die Seemöwe im Flug das von ihr in die Luft geworfene Stück Brot aufschnappte und dabei fast ihre Schulter streifte. Ihre Augen blitzten vor Vergnügen.
Graelam wandte sich im Sattel nach ihr um und sah ihr lachendes Gesicht. Er erinnerte sich daran, wie er sie heute morgen im Bett vorgefunden hatte, die Beine an die Brust gezogen und das Kopfkissen an sich gedrückt. Er hatte die Hand ausgestreckt und zärtlich die Locke über ihrer Schläfe berührt. Er hatte das Gefühl gehabt, er müsse sie beschützen. Doch als sie zum Frühstück in die Halle kam, war er kurzangebunden gewesen, und ihr Blick war wieder unsicher geworden. Als er dann die schweigende Mißbilligung in den Augen seines besten Waffenschmieds Drake und des Verwalters Blount sah, hatte er vorschnell den Saal verlassen.
»Oh, seht doch, Mylord!« Kassia zeigte auf den Seelöwen, der draußen in der Brandung seine Tauchkunststücke zum Besten gab. Sie waren bis an die Südgrenze von Graelams Ländereien gekommen, um dann an der Küste entlang weiterzureiten.
»Möchtest du gern eine Weile hier rasten?« fragte er sie.
Sie nickte glücklich und beobachtete weiter den Seelöwen.
Graelam stieg von Dämon ab und band ihn an einer windzerzausten Zeder fest. Es war ein strahlender, aber windiger Tag. Graelam zog den Mantel aus und breitete ihn auf dem Boden aus.
Sie setzte sich ihm mit gekreuzten Beinen wie ein Kind gegenüber. Graelam legte sich auf den Rücken und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Der Mann, der sich heute
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