Die Stimme des Feuers
nehmen.
Nach einer Weile sagte Blanche zu ihr: »Ihr seid ja noch ein halbes Kind. Eure Heirat mit Lord Graelam hat alle Leute hier schockiert. Ich werde versuchen, Euch vor ... irgendwelchen Unfreundlichkeiten des Personals und Lord Graelams Männern in Schutz zu nehmen.«
»Warum sollten sie denn unfreundlich zu mir sein, Blanche? Das verstehe ich nicht.«
»Wolffeton ist eine sehr große Burg mit vielen Bediensteten. Ich bezweifle, daß Ihr die Erfahrung habt, sie zur Arbeit anzuleiten.«
Kassia lachte herzlich. »Meine Burg in der Bretagne - Belleterre - ist genauso groß wie Wolffeton. Da meine Mutter starb, als ich noch sehr jung war, habe ich schon seit Jahren für meinen Vater den Haushalt geleitet. Ich kann lesen und schreiben und habe auch die Bücher geführt.« Am liebsten hätte sie Blanche gefragt, wie groß denn ihre Erfahrung sei. Jedenfalls verriet nichts an der Burg die Hand einer guten Hausfrau.
»Das freut mich«, sagte Blanche und schlug die Augen nieder, um ihre bittere Enttäuschung zu verbergen. Dann fuhr sie fort: »Lady Joanna hätte sehr gut zu Lord Graelam gepaßt. Sie ist eine Frau voller Leidenschaft, und er ist, wie ich hörte, ein Mann, der viel von seiner Frau verlangt. Die Bedienerinnen klatschen viel darüber - natürlich nur die hübschen. Wie ich hörte, ist er so stark gebaut, daß er einigen sehr weh getan hat. Und außerdem ist er unermüdlich.
Kassia sah sie verständnislos an. Blanche entnahm daraus, daß die Gerüchte zutrafen. Graelam hatte noch nicht mit seiner jungen
Frau geschlafen. Der Gedanke, daß er es demnächst tun würde, gab ihr die nächsten Worte ein. »Ihr seid sehr eng gebaut. Hoffentlich seid Ihr tapfer und könnt die Schmerzen ertragen.«
»Mein Mann ist sehr nett«, sagte Kassia.
Blanche hörte heraus, wie unsicher und ängstlich Kassia war. Eine Frau, die im Bett vor ihm zurückschrak - dieser verdammte Graelam hatte es nicht anders verdient! »Sicher«, sagte sie leichthin und stand auf. In freundlichem Ton fuhr sie fort: »Jetzt, da er verheiratet ist, wird er die anderen Frauen vielleicht verschonen, wenigstens eine Zeitlang.« Dann ging sie. Kassia blieb leichenblaß zurück und rang die Hände im Schoß.
Blanche dachte im Weggehen: Jedenfalls wird Graelam es noch bereuen, daß er sie verschmäht hatte, als sie sich ihm anbot. Vielleicht, dachte sie, dauert es nicht lange, und seine unschuldige kleine Frau verachtet ihn noch! Das würde ihre, Blanches, Rache sein.
Beim Abendessen war Kassia völlig geistesabwesend und stocherte nur auf ihrem Teller herum. »Warum ißt du nichts?« fragte Graelam. »Fühlst du dich nicht wohl?«
Vor dem Essen hatte er sie allen seinen Männern und dem übrigen Personal als Lady Kassia de Moreton vorgestellt. Seine Frau. Sein Besitz. Und er würde ihr weh tun. Dann sah sie ihm an, daß er besorgt um sie war, und dachte: Blanche muß sich irren. Er ist ein freundlicher Mann. Er würde ihr keine Schmerzen zufügen.
»Ich ... ich bin etwas müde, Mylord, sonst ist nichts.«
»Du kannst dich in ein paar Minuten zurückziehen. Ich komme dann später zu dir.«
Nein! Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Unterlippe. Es war eine unbewußt sinnliche Geste.
Rasch wandte sich Graelam an Guy, der zu ihm sagte: »Ich habe gehört, daß Dienwald de Fortenberry vor einigen Monaten seine Frau beerdigt hat. Vielleicht wäre es ihm lieb, wenn der Herzog von Cornwall ihm bei der Suche nach einer neuen Frau behilflich wäre.«
Graelam grinste nur und sagte zu Rolfe, dem Waffenmeister: »Ich brauche noch ungefähr zwölf neue Männer. Sie dürften leicht zu finden sein. Denn viele haben ihre Herren im Heiligen Land verloren und streunen jetzt als Vagabunden umher.«
Kassia hörte es. Sie wünschte, sie könnte ihn dazu bringen, etwas von seinem Geld für die Burg zu verwenden. Dann sprach der Verwalter Blount sie an. Er war ein leichenhaft wirkender Mann mittleren Alters, der einmal, wie sie gehört hatte, Priester gewesen war. Höflich wandte sie sich zu ihm um.
Blanche stahl sich aus dem Saal und ging in ihre Kammer. De Fortenberry ist also Witwer, dachte sie, und neue Hoffnung keimte in ihr auf. Trotz allem, was sie Kassia erzählt hatte, glaubte sie nicht, daß Graelam mit seiner jungen Frau schlafen wollte, ehe sie völlig zu Kräften gekommen war. Ungewollt liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich bin eine arme Frau, dachte sie.
Kassias Ängste waren versiegt. Als sie den Saal verließ, hatte er ihr
Weitere Kostenlose Bücher