Die Stimme des Herrn.
anders, das heißt: Sie könnte anders sein, oder der Kosmos könnte ständig in der energielosen »Antiweltphase« verbleiben, und es wäre vorbei mit jeglicher Schöpfung, vorbei mit sämtlichen möglichen Welten, es gäbe weder uns noch die Sterne über uns, und niemand brauchte sich mehr den Kopf über etwas zu zerbrechen, was nicht geschehen sei … Aber es sei ja eben geschehen! Die monströse Kompliziertheit des »Briefs« lasse sich folgendermaßen erklären: Die entsetzliche Konzentration der »Agonie« bewirke, daß die untergehende Welt, wie ein Mensch seinen Geist, ihre Information »aufgebe«, die werde nicht mit vernichtet, sondern – dank Gesetzen, die sich unserer Kenntnis entzögen, denn die Physik höre ja bei jener Verdichtung, bei jenem Auseinanderbrechen des Raumes auf – diese Information vereinige sich mit dem, was noch weiter bestünde: mit dem Neutrinokomprimat mitten in dem »Spalt«.
Baloyne, der den Vorsitz führte, fragte uns, ob wir gleich in die Diskussion einsteigen oder uns erst noch Sinester anhören wollten. Wir stimmten für letzteres, aus Neugier, versteht sich. Learney kannte ich ein bißchen, weil ich ihn hin und wieder bei Hayakawa gesehen hatte, aber von Sinester hatte ich bisher noch nie gehört. Er war ein kleiner junger Mann mit einem Gesicht, das an eine Kartoffel erinnerte, was im übrigen nichts heißen will.
Er begann merkwürdig ähnlich wie Learney. Der Kosmos stelle ein pulsierendes Gebilde dar, mit einander ablösenden blauen Schrumpfungs- und roten Ausdehnungsphasen. Jede Phase dauere ungefähr dreißig Milliarden Jahre. Sobald sich in der roten Phase, der Phase der Galaxienflucht, die Materie ausreichend zerstreut und die planetenähnlichen Körper abgekühlt hätten, entstünde auf diesen Himmelskörpern Leben, das manchmal intelligente Formen hervorbrächte. Wenn die Ausdehnung zu Ende gehe und sich der Kosmos wieder zentripetal zusammenzuziehen beginne, käme es in der blauen Phase allmählich zu riesigen Temperaturen und einer immer härter werdenden Strahlung, auf die Weise werde die gesamte lebende Materie vernichtet, die sich im Verlaufe von Jahrmilliarden über die Planeten ausgebreitet habe. Selbstverständlich gäbe es in einer roten Phase wie der, in welcher wir geboren wurden, Zivilisationen von unterschiedlichem Entwicklungsstand. Es müßte auch welche geben, die in technologischer Hinsicht den Gipfel erreicht hätten und sich, dank der Entwicklung der Wissenschaften, darunter auch der Kosmogonie, über die eigene Zukunft und die des Weltraums im klaren wären. Solche Zivilisationen, oder sagen wir der Einfachheit halber: solch eine Zivilisation, die sich in einer bestimmten Galaxis befinde, wisse demzufolge, daß die Organisation der Materie den Zenit überschreiten werde und der Prozeß der umfassenden Vernichtung in immer größer werdender Hitze beginne. Falls sie über ein weit größeres Wissen verfüge als wir, vermöge sie auch bis zu einem gewissen Grade vorauszusehen, wie sich die Ereignisse in der Folge, nach dem »blauen Ende der Welt«, weiter abspielen würden, und wenn sie ihr Wissen noch mehr erweitere, könne sie auf diesen zukünftigen Zustand Einfluß nehmen …
Hier wurde es wieder ziemlich laut: Sinester trug eine Theorie der Steuerung von kosmogonischen Prozessen vor, nicht mehr und nicht weniger!
Der Astrobiologe setzte mit Learney voraus, daß der »kosmische Zweitaktmotor« nicht vollständig determiniert sei, weil besonders in der Kontraktionsphase erhebliche Indeterminismen entstünden – durch die Veränderungen in der Massenverteilung, die prinzipiell zufällig seien, durchden veränderlichen Verlauf der Annihilation – und was für eine »Art« von Kosmos aus der nächstfolgenden Kontraktion hervorginge, sei nicht bis ins letzte vorhersehbar. Uns sei diese Schwierigkeit in unserem Miniaturmaßstab bekannt – weil wir den Verlauf von Turbulenzprozessen, bei denen Wirbel entstehen (wie im Wasser, das sich an Felsenriffen bricht, beispielsweise) nicht vorhersehen, das heißt nicht berechnen können. Die einzelnen »roten Universa«, die jeweils aus den blauen hervorgingen, könnten sich folglich derart voneinander unterscheiden, daß der zur Zeit vorhandene Typ, in welchem Leben möglich ist, eine ephemere Erscheinung darstellen könne – einen unwiederbringlichen Zustand oder einen, nach welchem eine lange Serie nurmehr toter Pulsationen käme.
Ein solches Horoskop könne jener Hochzivilisation nicht zusagen,
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