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Die Stimme des Nichts

Die Stimme des Nichts

Titel: Die Stimme des Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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zog den Kopf in den Nacken und stieß einen wortlosen Schrei aus. Da fällte sie die Entscheidung. Sie packte ihn bei den Schultern, machte die Augen zu und schüttelte ihn.
    »Wach auf, Flinx! Los, wach auf!« Die Minidrachen fächelten Luft mit unsichtbar schlagenden Flügeln und sahen unbehaglich zu.
    Das Schluchzen hörte auf. Flinx blinzelte und erkannte sie. Sie ließ ihn los, sodass er auf die Decke sackte. Die Sonne schien weiter, der See leckte wie gewohnt ans Ufer, ihr Kopf zerplatzte nicht. Irgendwo im Wald piepste nörgelnd ein roter Midrigel.
    Flinx starrte in den Himmel und sah sie nicht an. »Ich habe geträumt, ja?«, murmelte er.
    »Mehr als das, Flinx.« Ihr Ton war ernst. »Viel mehr als das. Sieh dich mal um«, sagte sie mit auffordernder Geste.
    Als er sich auf die Ellbogen stützte, sah er die abgestorbene Pflanzendecke, die abgefallenen Blütenblätter. »Du glaubst, das habe ich getan?«
    »Wer sonst? Hier sind nur du und ich. Deine Träume können töten, Flinx. Wie du gesagt hast: Du kannst … projizieren.«
    »Ja, Emotionen, aber das hier … so etwas habe ich noch nie bewirkt.«
    »Du hast gesagt, dass deine Kopfschmerzen schlimmer geworden sind. Ich muss annehmen, dass sich deine Albträume ebenfalls verschlimmert haben. Vielleicht fängst du an, die Gefühle zu projizieren, die du von ihnen bekommst – oder zumindest einen Bruchteil ihres Wesens.« Sie blickte bedeutungsvoll zum Himmel. »Wenn du das auf deinem Schiff tust, bemerkt es ja niemand, und keiner wird beeinträchtigt außer Pip. Die Wirkung scheint nicht sehr weit zu reichen.«
    »Noch«, murmelte er elend. »Aber wenn ich es wirklich war, der das getan hat, so habe ich wenigstens dich nicht verletzt.« Als sie nicht antwortete, schloss er gequält die Augen. »Bitte, sag mir, dass ich dir nichts getan habe.«
    »Nicht körperlich, nein. Kannst du mir deinen Traum schildern, Flinx?« Doch sie kam seiner Antwort zuvor. »Nein, ich werde dir meinen Traum beschreiben.«
    »Du hast auch geträumt?« Jetzt setzte er sich auf und schaute sie eindringlich an.
    »Ich weiß nicht, ob es mein Traum war. Ich nehme an, dass es deiner war, den ich erlebt habe.« Sie begegnete ohne auszuweichen seinem Blick. »Du hast nicht nur etwas auf deine Umgebung übertragen, sondern auch auf mich, Flinx.«
    »Erzähl mir den Traum, Clarity.«
    Als sie damit zu Ende gekommen war, saß er ein paar Augenblicke schweigend da, bevor er etwas dazu sagte. »Er ist anders als meiner. Aber nicht so sehr, dass ich nicht glauben würde, er stünde mit meinem in Verbindung.«
    »Also hast du etwas in mich projiziert.« Sie fühlte sich an früher erinnert, wo sie diesen Mann auch schon als faszinierend und furchteinflößend zugleich empfunden hatte. Genauso war es jetzt wieder, obwohl sechs Jahre vergangen waren.
    »Nicht mit Absicht.« Sein Blick war flehend und besorgt. »Ich würde das niemals tun. Aber wenn ich schlafe, habe ich darüber keine Kontrolle.«
    Und vielleicht auch nicht mehr lange, wenn ich wach bin, dachte er eingedenk dessen, was auf Goldin IV passiert war. Offenbar durfte er mit seinem Talent nicht mehr herumspielen, es nicht mehr hervorrufen und abebben lassen, wie es ihm passte oder den äußeren Umständen angemessen war. Jetzt würde er jede Stunde kämpfen müssen, um die Kontrolle zu behalten, damit er nicht anderen schadete, egal wie unabsichtlich.
    Aber was konnte er tun, wenn er schlief? Wie sollte er dafür sorgen, dass denen um ihn herum nichts passierte? Clarity hatte eine Traumepisode erlebt, die zwar nicht so spezifisch gewesen war wie seine, aber doch einige derselben Effekte einschloss. Er betrachtete die abgefallenen Blüten und den abgestorbenen Bodenbewuchs. Diesmal waren es nur ein paar Pflanzen gewesen. Diesmal.
    Und wenn nun sein verqueres, irregeleitetes Talent beim nächsten Mal auf Clarity so einwirkte wie auf die umgebende Vegetation? Wenn er nächstes Mal aufwachte und eine geschwärzte, vertrocknete Leiche neben sich fand?
    Ein wild gewordener Impulsantrieb – das bin ich, schalt er sich. Oder zumindest drohte er das zu werden. Wie viele fühlende Wesen würden noch leiden müssen, bis er über sich die Kontrolle erlangte? Und wenn er sie nie erlangte, wenn diese ungewollten Projektionen ständig an Intensität zunähmen und immer weiter um sich griffen, würde er dann wenigstens den Mut haben, etwas Endgültiges dagegen zu unternehmen? Das einzige Problem beim Selbstmord war, erinnerte er sich selbst, dass er

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