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Die Stimme des Nichts

Die Stimme des Nichts

Titel: Die Stimme des Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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konnte als Arme und Beine – und achtzugeben – nicht dass sie etwas sehen konnte. Sie sollte aufmerksam, aber unauffällig sein, wachsam, aber unsichtbar, auf der Hut sein, aber nicht zu viel nachdenken.
    Ihr gelang alles bis auf das Letzte.
    Ihr wurde bewusst, dass sich etwas auf sie zubewegte. Es war unendlich klein und unerträglich groß. Während sie versuchte, sich nicht zu rühren, in dem Wissen, dass sie sich nicht rühren durfte, fing sie unkontrolliert an zu zittern. Es kam näher. Es berührte sie. Teils ging es durch sie hindurch. Sie fing wie verrückt an zu schreien. Dass niemand sie hören konnte und sie auch keinen Laut von sich gab, machte es nur umso schlimmer.
    Sie erwachte und setzte sich kerzengerade auf, keuchte, als hätte sie gerade nach einem Marathonlauf die Ziellinie überquert. Vor ihrem Gesicht flatterte Scrap ängstlich hin und her, fächelte ihr warme Luft um die Nase und züngelte in dem vergeblichen Versuch, ihr die Qualen durch Liebkosungen auszutreiben. Sie strich sich übers Gesicht und wischte die Tränen weg, die sie im Schlaf geweint hatte.
    Denn das war es: Sie hatte geträumt, einen Traum, der sie hoffentlich nie wieder heimsuchen würde.
    Als sie sich die schweißnassen Haare aus der Stirn strich, hörte sie ein Stöhnen und musste Scrap mit beiden Händen beruhigen. Flinx lag noch an derselben Stelle, wo er eingeschlafen war, aber er lag nicht friedlich da. Auch Pip sauste über ihm hin und her und berührte ihn mal mit der Flügelspitze, mal mit der Zunge und tat ihr Bestes, um ihren eindeutig leidenden Herrn zu trösten.
    Flinx hatte ebenfalls einen Albtraum. War es etwa der gleiche? Aber wäre das nicht unmöglich? Menschen konnten vieles gemeinsam erleben, aber nicht ihre Träume. Vor Jahren hatte er mit ihr über seine Träume und die Kopfschmerzen gesprochen. Die konnten doch eigentlich nicht ansteckend sein, oder?
    Es gab einen Weg, um das festzustellen. Sie musste ihn wecken.
    Sie drehte sich ihm auf Händen und Knien zu. Da Pip ihr Wohlwollen spürte und sie als Freund erkannte, machte sie Platz. Das war der Moment, wo Clarity die Veränderung der Umgebung bemerkte.
    Ringsumher hätten Baumbewohner in den Zweigen spielen, Flieger am Himmel kreisen, kleine stachellose Gliederfüßer die Blüten bestäuben müssen. Das war für Nur normal. So hätte es sein sollen.
    Doch bis auf das Stöhnen ihres Freundes war alles still. Die Bewohner des Waldes waren verschwunden. Der Himmel war leer. Das Summen der Gliederfüßer fehlte. Es war, als wäre alles Leben außer ihr, Flinx und den Minidrachen geflohen. Aber wovor?
    Flinx stöhnte schon wieder und warf den Kopf hin und her, und der Himmel über dem Paradies schien sich ganz leicht zu verdunkeln.
    Das Leben am Seeufer war nicht bloß geflüchtet, wie sie jetzt sah. Im Umkreis von gut zehn Metern war keine einzige Blüte an den Zweigen geblieben. Der Boden war damit übersät, die Spitzen der Blütenblätter eingerollt, die strahlenden Farben bereits verblasst. In größerer Nähe war alles abgestorben. Sogar die moosige Bodendecke, auf der sie sich niedergelassen hatten, war schwarz und vertrocknet. Das beunruhigte sie allerdings stark. Es war eine Sache, einen Albtraum zu projizieren, aber eine ganz andere, dabei auch gleich das Leben in der Nähe auszulöschen.
    Da sie wusste, wozu Flinx – im wachen wie im schlafenden Zustand – fähig war, geriet sie nicht in Panik. Doch es war klar, dass sein Traum auch keineswegs angenehm war. Dem Gedanken, dass er höchstwahrscheinlich eine ernste Wirkung auf seine Umgebung hatte, konnte man sich kaum entziehen. Ihr fiel nur ein Mittel ein, um die Wirkung zu stoppen.
    Ihn aufwecken.
    Sie rückte näher und streckte die Hand nach seiner Schulter aus, dann zögerte sie. Sie hatte gehört, es sei gefährlich, Schlafwandler zu wecken oder Leute aus einem Albtraum zu reißen. Es hieß, sie würden mitunter um sich schlagen und ihren Helfer verletzen. Obwohl sie einen Schlag mit der Faust oder der flachen Hand nicht fürchtete, schwankte sie noch. Das war Flinx, mit dem sie es zu tun hatte. Da war es möglich, dass er mit etwas Gefährlicherem schlug als mit den geballten Fingern. Sie überlegte noch, ob sie ihn schütteln oder abwarten sollte.
    Er schluchzte wirklich mitleiderregend, wie ein kleiner Junge, der sich im feindseligen Dickicht einer Großstadt verirrt hatte. Zwar liefen ihm keine Tränen übers Gesicht, doch sie sah, dass er genauso litt wie sie, wenn nicht mehr. Er

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