Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
Haar ging über das Grün unten. Sie hatte sich über ein kleines Kind gebeugt und half ihm, die ersten Schritte zu machen. Steward verspürte einen Schmerz im Hals. Er drehte sich zu Stoichko um. »Ich kann mich jetzt nicht entscheiden«, sagte er.
    Stoichko nickte. Steward hielt aufmerksam nach einer Warnung in seinen Augen Ausschau, nach einem Zucken, einer Verengung der Augen oder einer Erweiterung der Pupillen, die seinen plötzlichen Tod bedeuten könnte, jetzt sofort, hier im Hotel. Er versuchte, unauffällig im Gleichgewicht dazustehen, Arme und Beine bereit, bei einem Angriff auszupeitschen. Wahrscheinlich schrie sein Körper für Stoichkos geübte Augen geradezu vor Bereitschaft, dachte er. Er versuchte sich zu entspannen. Stoichko stippte seine Zigarre aus, den Blick auf den Aschenbecher gerichtet. Er sah auf. »Sie haben eine Menge zu überlegen«, sagte er. »Können wir uns morgen sehen? Hier, zum Abendessen?«
    »Ja. Aber es kann sein, daß ich dann noch keine Antwort habe.«
    »Das wäre verständlich«, sagte Stoichko. »Wenn Ihnen weitere Einzelheiten einfallen und Sie Antworten brauchen, geht das in Ordnung. Eins allerdings wäre Vesta gar nicht recht, nämlich daß Sie es jemand erzählen.«
    Steward zuckte die Achseln. »Ich bin ja nicht blöd«, sagte er.
    Stoichkos Augen waren hart. Steward sah jetzt den echten Mann, das wußte er, nicht den Vertreter mit dem ansteckenden Lachen. »Glauben Sie bloß nicht, Ihre Freunde in der Antarktis können mit der Information hausieren gehen, daß wir einen Schlag gegen Ricot führen wollen, ohne daß wir's rausfinden. Oder – wenn wir's rausfinden – daß Sie je in Sicherheit sein werden.«
    »Vertrauen Sie mir, Kumpel«, sagte Steward.
    »Ich dachte bloß, es müßte mal gesagt werden.«
    »Offene Worte.« Steward fuhr sich mit der Hand über die Stirn und wischte imaginären Schweiß weg. Er würde nicht sterben, jetzt noch nicht.
    »Nur damit Sie's wissen.« Stoichko lächelte, und Steward spürte den Drang, als Reaktion darauf zu lachen. Vertretergene.
    »Haben Sie noch ordentlich auf die Pauke gehauen?« fragte Stoichko. »Spaß gehabt mit dem Inhalator?«
    Steward grinste. »Ich hab' alles aufgebraucht«, sagte er. »Sie haben nicht zufällig noch was da?«
    Stoichko lachte und ging zu seinem Koffer. »Versuchen Sie, mit dem hier etwas länger auszukommen, okay?« sagte er. »Es ist der letzte, den ich habe.«
    Steward nahm das kalte Fläschchen in die Hand. »Danke.« Er steckte es in die Tasche und machte sich dann auf den Weg zur Tür. Er tat so, als ob er zögerte, dann sah er Stoichko an. »Wissen Sie«, sagte er, »ich hab' was davon mit einer – einer Freundin genommen. Und bei ihr hat es überhaupt nicht gewirkt. Wissen Sie, woran das liegt?«
    Stoichko machte eine abschätzige Geste. »Vielleicht hatte sie eine hohe Resistenz. Chemie ist nicht meine Stärke.«
    »Ja. Kann sein.« Steward ging zur Tür. »Ich komme morgen wieder. Achtzehn Uhr?«
    »Ich werde hier sein. Feiern Sie ordentlich.« Er legte Steward die Hand auf den Arm, als er die Tür öffnete. »Machen Sie sich keine Sorgen wegen dieser Sache. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben – die können wir lösen.«
    Auf dem ganzen Weg den Flur entlang und aus dem Hotel heraus hatte Steward das Gefühl, daß etwas wie ein kalter Luftzug sein Genick und sein Rückgrat streifte. Er fragte sich, ob ihm jemand folgte, ob er sich selbst zum Ziel gemacht hatte, und überlegte, wer das Netzwerk in Marie Byrd Land noch angezapft hatte und vielleicht Stewards Dienste in Anspruch nehmen wollte.
    Steward zog aus dem King George V aus und kehrte auf die Born zurück. Er kam zu der Überzeugung, daß er sich dort sicherer fühlen würde. Er streckte sich auf seinem Bett aus und holte den Inhalator aus der Tasche. Metall ließ seine Fingerspitzen kalt werden. Er hielt ihn ins Licht und fragte sich, was das Hormon bedeutete, wie es ins Bild paßte. Hohe Resistenz? Irgend etwas hätte er trotzdem fühlen müssen. Er führte das kalte Metall an seine Oberlippe und überlegte, ob er den Stoff noch einmal probieren sollte, und dann schien die Kälte wie über eine Leitung durch seine Knochen zu ziehen. Ein Gedanke hatte ihm einen Eishauch bis ins Mark geschickt.
    Das Fläschchen war möglicherweise mit Gift gefüllt. Vielleicht hatte Stoichko es ihm gegeben, als er die Chance, die Mächte-Bevölkerung von Ricot zu massakrieren, nicht gleich mit beiden Händen ergriffen hatte. Steward unterdrückte

Weitere Kostenlose Bücher