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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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einem tragbaren Flammenwerfer zu Leibe. Schreie und Flammen wurden von den Hotelwänden zurückgeworfen. Steward ließ seine Tasche sinken und stieß die Tür mit dem Fuß sanft zu. Erregung sprudelte leicht durch seine Adern. Die Wirklichkeit, endlich. Der Geist eine Leere, dachte er mit einem Zitat von Musashi.
    Er versuchte sich daran zu erinnern, was er gestern angefaßt hatte. Die Tür, die Kaffeetasse, den Stuhl, vielleicht das Fenster. Die Kaffeetassen waren vom Hotelservice ausgewechselt worden; zwei Tassen standen neben der Kaffeemaschine, beide noch in Papier eingewickelt. Er zog seine Jacke aus und wischte damit das Fenster und den Fensterrahmen ab, dann fuhr er mit ihr über die Tür und die Klinke. Mit der Hand in der Jacke drückte er auf den Schalter neben der Tür, der das rote NICHT STÖREN-Licht im Türrahmen aufleuchten ließ.
    Das Zimmer begann nach Tod zu riechen. Gerinnendes Blut tropfte vom Stuhl auf den Teppich. Aus dem Video dröhnte die Titelmusik. Steward versuchte sich ganz leer zu machen, einen luftleeren Raum in seinem Innern zu schaffen, damit Stoichko und die Einflüsse hier ihn mit einem Sinn erfüllen konnten. Er begann Stoichkos Habseligkeiten zu durchwühlen, wobei er seine Fingerabdrücke mit seiner Jacke beseitigte.
    Der Agent der Gruppe Sieben reiste mit leichtem Gepäck. Er hatte nur eine einzige Tasche – sie war aus echtem Leder, mit einem stählernen Rücken –, und Steward fand sie im Schrank. Sie war offen. Er schüttete den Inhalt aufs Bett. Er bestand aus einem Sortiment schmutziger Kleidungsstücke, einem kleinen Plastikbeutel mit Werkzeug – Schraubenzieher, verstellbare Schraubenschlüssel und so weiter – und einer kleinen Tasche mit vier Fächern für kleine Schnapsfläschchen, die in diesem Fall jedoch nur ein Fläschchen Cognac enthielt. Wahrscheinlich hatte Stoichko die Inhalatoren in zwei der übrigen Fächer verstaut. Sie hatten die richtige Größe.
    Die Schränke enthielten nur Kleidung. Steward benutzte ein Taschentuch, um seine Fingerabdrücke abzuwischen. Hinter den Schubladen in der kleinen Kommode oder im Schreibtisch war nichts verborgen. Das Badezimmer enthielt die üblichen Toilettenartikel. Steward steckte eine Tube Zahnpasta und einen Deostift in seine Taschen, um sie sich später genauer anzusehen, falls in ihnen etwas versteckt sein sollte.
    Auf dem Nachttisch lagen die Taschenbuchausgabe eines Thrillers und zwei Datenstacheln, die in Stoichkos Handschrift – wie Steward vermutete – säuberlich als Musik etikettiert waren. Steward steckte die Stacheln ein.
    Er ließ seinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Stoichko saß zusammengesackt auf seinem Stuhl. Seine Zigarre war erloschen. Im Video küßte eine olivbraune Frau mit buntem Schmetterlingsflügel-Augenmake-up einen kleinen Orientalen in einem schwarzen Seidengewand.
    Gruppe Sieben wird denken, daß ich ihn umgebracht habe, dachte Steward. Wenn ich abhaue, dann besser schnell.
    Das Hotelpersonal würde die Leiche frühestens morgen finden. Vielleicht noch später, wenn sie das rote NICHT STÖREN-Licht ernsthaft beachteten, das draußen vor dem Zimmer leuchtete.
    Wahrscheinlich waren keine anderen Leute von Gruppe Sieben auf Charter; sie hätten von der Erde heraufkommen müssen. Man würde nicht sofort hinter ihm her sein, außer wenn Stoichkos Mörder – wer immer es war – die Charter-Cops anrief und sie informierte. Bei dem Gedanken lief es Steward kalt über den Rücken.
    Es gab Chancen, die sollte man nutzen, fand er. Der Geist eine Leere.
    Er versuchte, das Zimmer zu sich sprechen zu lassen.
    Steward überlegte, wozu die Werkzeuge da waren. Und er fragte sich, ob in der kleinen Tasche ein viertes Fläschchen gewesen war.
    Er sah wieder zu Stoichko hinüber und fühlte einen Kupfergeschmack auf der Zunge. Er wußte, was als nächstes kam.
    Die Leiche war noch warm und das Blut noch flüssig; es war so real, daß eine Welle der Übelkeit über Steward hinwegspülte. Der Wirbelwind schien an seine Ohren zu schlagen. Er klopfte Stoichko ab, stellte fest, welche Taschen voll waren, und leerte diejenigen, an die er herankam. Ein Kreditstachel, ein waffelähnlicher Hotelschlüssel, ein Ring mit anderen, unbekannten Schlüsseln. Steward warf die Sachen auf den Boden. Als nächstes die hinteren Taschen. Steward stand auf, griff nach dem Gürtel des Mannes und zog, um den schweren Leichnam zu bewegen. Es war ein totes Gewicht, scheinbar ohne Knochen, und es war schwieriger, als

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