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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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vor.«
    Steward zuckte die Achseln. »So sehe ich nun mal aus.«
    »Ein harter Bursche. Nichts Weiches. Daran erinnere ich mich.«
    »So hab' ich dir gefallen«, sagte Steward. »Daran erinnere ich mich.«
    Sie sah ihn wortlos an. Es beunruhigte Steward, daß er den Blick nicht lesen konnte, daß ihm sein Gedächtnis keinen Hinweis darauf gab, was ihr durch den Kopf ging.
    »Ich würde gern reinkommen«, sagte er.
    »Ich muß in ein paar Minuten zur Arbeit.«
    »Ich würde gern reinkommen. Nur für ein paar Minuten.«
    Der Schatten eines Entschlusses lief über ihr Gesicht. Sie schob sich mit den Armen von der Tür zurück, bis sie an die Wand gegenüber stieß, fing ihren Schwung ab, hielt sich fest und wartete. Sie sah zu ihm auf. Steward löste seine Füße vom Klettstreifen und hakte einen Schuh unter den Türrahmen. Dann zog er sich hinein, bis er mit den Händen den Rand der Tür ergreifen und seine Bewegungen kontrollieren konnte. Er schloß die Tür hinter sich und stieß sich zu der Wand ab, wo Natalie wartete.
    Das Zimmer war klein und sauber. Bei null g gab es weder Boden noch Decke, sondern nur sechs Wände. Kleine Tische und ein Schreibtisch waren an einer Wand zusammengeklappt. Es gab eine kleine Küche und eine Computerkonsole mit Gurten und Haken, um jemand an der Tastatur zu verankern. Bücher, Magazine und etikettierte Datenstacheln waren in Regalen festgebunden. Eine Tür führte zu einem abgedunkelten Schlafzimmer. Ein kleiner Roboter hing an der Wand und machte sauber. Von dem Jungen war nichts zu sehen. Steward fragte sich, wo er war. Vielleicht in einem Internat außerhalb der Station.
    Stewards Mund war trocken. »Hast du ein bißchen Kaffee für mich?« fragte er.
    »Bedien dich!« Sie betrachtete ihn mit nachdenklicher Miene. Er merkte, daß ihn das überraschte – ihr Gesichtsausdruck war unbeteiligt und objektiv. Als ob es für sie bedeutungslos wäre.
    Er nahm sich Kaffee, drehte sich in der Küche auf dem Fleck, um sie anzusehen, hing im Raum und probierte den Kaffee. Er war nicht schlecht.
    »Du hast was getrunken«, sagte sie. »Ich kann's riechen.«
    »Ja. Japanischen Scotch, auf der Fähre. Er war nicht gut.«
    »Trinkst du heutzutage schon am frühen Morgen?«
    »Nach meiner Zeit ist es kurz nach Mitternacht. Glaube ich.«
    Sie breitete die Arme in einer Geste aus, mit der sie auf sich selbst, das Apartment und Neue Menschheit zeigte. Die Bewegung war anmutig und selbstsicher, so wie er sie in Erinnerung hatte. »Ich hoffe, dafür lohnt es sich, so lange aufzubleiben«, sagte sie.
    Er sah sie aufmerksam an und hielt nach Hinweisen Ausschau, nach etwas, das er berühren, an dem er sich festhalten konnte. Er fand nichts. »Ich auch«, sagte er.
    Natalie neigte den Kopf. »Die Intensität hatte ich vergessen. Bei dem ersten hatte sie ein bißchen nachgelassen. Aber er konnte sie immer wachrufen, wenn er wollte.«
    »Der Alpha.«
    »Das macht dich zum Beta, nehme ich an?« Ein kurzes Lächeln zuckte um ihre Lippen. »Die Terminologie trägt vermutlich nicht gerade zu deiner Selbstachtung bei.«
    »Ich versuche etwas härter daran zu arbeiten.«
    Ihre grünen Augen starrten ihn an. »Woran? Der Alpha zu sein?«
    Steward verspürte einen Krampf in seinem Innern. Er suchte nach einer Antwort und fand keine. Statt dessen zuckte er die Achseln. »Das zu sein, was ich bin, schätze ich.«
    »Und daß du hergekommen bist – gehört das auch zu deiner Arbeit?«
    Er sah Natalie an und hielt ihrem Blick stand. »Zu meiner Hoffnung, glaube ich.«
    Sie wandte den Blick nervös ab und biß sich auf die Unterlippe. »Das ist nicht gerade das richtige Wort für mich, Beta«, sagte sie. »In diesem Sinn gibt es mich nicht.«
    »Das kannst du nicht wissen.«
    Sie wandte sich von ihm ab und schwebte zum Schlafzimmer. »Ich muß mich zur Arbeit fertigmachen.« Sie entließ ihn mit einer Handbewegung zur Tür.
    »Du kannst nicht wissen«, beharrte Steward, »was für Hoffnungen ich habe.«
    Natalies Stimme kam gedämpft aus dem Nebenzimmer. »Ich weiß, was zwischen uns möglich ist.«
    Steward drehte sich auf der Stelle, stieß sich ab, schnellte durch das kleine Zimmer und bremste an der Tür. Natalie hing vor einem Spiegel. Sie legte einen Schalter um, und helles Licht beleuchtete unbarmherzig ihr Gesicht. Steward konnte auch durch das halbe Zimmer hindurch die schlaffe Haut und die häßlichen Flecken sehen. Er erinnerte sich an Sand, Meer und ferne Musik. Er trank einen Schluck Kaffee. »Kannst du

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