Die Stimme
gearbeitet. Deshalb fand man Gefallen an ihm. Deshalb, und weil er gescheiter war als andere.«
» – und auch anziehender?«
»Ja, das natürlich auch. Aber wir kommen auch beide auf die Mutter. Sie war auf ihre Art ungewöhnlich.«
»Und damit habt Ihr mir just meine These bewiesen.«
»Nichts dergleichen habe ich. Ihr habt mir eben zugestimmt.«
»O nein, das habe ich nicht. Euch fehlt nur eine Information, und die beweist wiederum meine These.«
Margaret sah Bruder Gregory durchdringend an; plötzlich fand sie, daß sie den sardonischen Blick, mit dem er sie musterte, ganz und gar nicht leiden konnte.
»Wenn Ihr etwas Häßliches sagen wollt, dann überlegt zweimal, sonst haltet lieber den Mund«, sagte sie bestimmt.
»Gut, ich sage also nichts. Ich stelle lediglich ein paar Fragen wie Sokrates, bis Ihr von allein auf die Wahrheit kommt.«
»Und wer war nun wieder dieser Sokrates?«
»Ei, ein Philosoph – der die Wahrheit mittels Fragen herausfand.« Margaret mißtraute Bruder Gregory, wenn er Philosophen anführte. Gewöhnlich brachte er sie wie militärische Verstärkungen ins Feld und eröffnete damit eine besonders abscheuliche Frontlinie. Aber sie dachte, ich beantworte einfach seine Fragen nicht, dann wird er aufgeben und sich damit abfinden müssen, daß er dieses eine Mal unrecht hat.
»Ihr würdet mir doch darin zustimmen, daß sich reiche Männer und Herren eine Geliebte halten, nicht wahr?«
»Also nein, aber ja doch.«
»Und die Herren der Kirche auch?«
»Die auch, wenn sie verderbt sind.«
»Und in letzter Zeit hat es allerhand verderbte gegeben, wenn ich mich Eurer Worte recht entsinne.«
Margaret gab keine Antwort.
»Was machen nun reiche Männer und Herren mit ihrer natürlichen Nachkommenschaft?«
»Sie erkennen sie an, wenn ihnen danach ist, und helfen ihnen weiter.«
»Und die Herren der Kirche?«
»Ja, die können ihre nicht anerkennen, aber manchmal helfen sie ihnen heimlich. Ich habe sogar schon die Tochter eines Bischofs entbunden – er hat ihr eine riesige Mitgift gegeben, damit sie sich anständig verheiraten konnte.«
»Habt Ihr schon einmal einen Gedanken an die Gewohnheiten von Abt Odo von St. Matthew's verschwendet?«
»Und was genau wollt Ihr damit sagen?« fragte Margaret erschrocken.
»Wartet, wartet. Ich stelle hier die Fragen. Ist Euch schon einmal zu Ohren gekommen, daß er beinahe soviel natürliche Nachkommen hat wie mein Vater? Und mein Vater ist ein emsiger Mann. Ständig treffe ich auf Halbbrüder, die ich noch nicht kannte. Natürlich stellt Vater sich mit dem Anerkennen abscheulich an – das kommt, weil er immer so knapp bei Kasse ist. Da war Odo mit Mitgiften und Beförderungen für seine natürlichen Kinder großzügiger. Und er hat es auch verstanden, alles geheimzuhalten.«
»Was um Himmels willen wollt Ihr damit sagen, Ihr gemeiner, gemeiner Kerl?« rief Margaret. Sie klang so außer sich, daß es wie Balsam für Bruder Gregorys Seele war. Nun tat er sehr herablassend.
»Damit meine ich, Mistress Verdienst-ist-Zufall, daß Ihr einen sehr merkwürdigen Großvater habt – einen Abt mit gelben Augen. Aber ich muß zugeben, bei Euch sehen sie hübscher aus. Bei ihm wirken sie so unzüchtig, findet Ihr nicht auch? Und daß er der Gönner Eures Bruders ist, das ist weiß Gott kein Zufall. Wenn man bedenkt –« und hier blickte Bruder Gregory zur Decke –, »daß er geradewegs von Karl dem Großen leibhaftig abstammt, dieser Abt. Und Karl der Große von den römischen Kaisern, die natürlich ihren Stammbaum bis auf die heidnischen Götter zurückführten –«
»Einen Augenblick – Ihr seid zu weit gegangen. Seit wann stammen denn die heidnischen Götter von Adam ab? In dem Familienstammbaum da scheint mir vieles die reine Erfindung zu sein«, sagte Margaret aufgebracht.
»Dreht und wendet es, wie Ihr wollt, ein Punkt für mich«, sagte Bruder Gregory mit überheblicher Miene, »und Ihr seid im Unrecht. Außerdem könnte man sogar sagen, daß wir irgendwie Vetter und Base sind, wenn man weit genug zurückgeht und man nichts gegen Bastarde hat.«
»Vetter, Base? Durch wen wohl? Durch Karl den Großen oder Julius Caesar oder durch die einfallsreiche Tinte irgendeines Mönches? Ihr kommt in mein Haus, Ihr eßt wie eine Heuschreckenplage, und dann beleidigt Ihr meine Mutter und meinen Bruder – mit mir seid Ihr jedenfalls nicht verwandt, Ihr Schnüffler und Unruhestifter, Ihr!« rief Margaret hitzig.
»Ich? Ein Schnüffler? Aber Ihr habt
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