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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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dem ein mächtiger Blasebalg getreten wurde, und lautes Hämmern.
    »He, John, wollen die etwa eine Schuld eintreiben?« rief ein Spaßvogel.
    »Nein, das ist eine Lieferung frei Haus. Master John hat es gern bequem.« Rauhes Gelächter. John arbeitete vor der größten Esse mitten in der Schmiede, er formte ein riesiges, zweischneidiges Schwert, so groß wie ich lang bin.
    »Maul halten, ihr Gesocks, ich kann mich jetzt nicht um euer Gequassel kümmern«, knurrte John. Er war ein Hüne von einem Mann mit schütterem Haar und einem gewaltigen, rotbraunen Bart. Er arbeitete ohne Hemd, nur eine umfangreiche Lederschürze schützte seinen Leib.
    »Vielleicht haben wir einen Fehler gemacht, Margaret, wir sollten lieber gehen.« Hilde zupfte mich ängstlich am Kleid. Aber ich stand fasziniert und wie angenagelt da. John hatte das riesige, kirschrot glühende Schwert genommen und es ins Härtebad geworfen, wo es so furchtbar ›hsssssssss!‹ machte wie sonst wohl nur die Teufel in der Hölle. Solch ein sagenhaftes Geschick müßte man auch haben! Er rief einen Gesellen herbei:
    »Mach weiter, ich habe Besuch«, sagte er.
    Damit drehte er sich um und blickte von seiner riesigen Höhe auf uns herab. Seine Lederschürze und seine muskelbepackten Arme glänzten im Schein des Schmiedefeuers.
    »Ich brauche nichts«, brummte er.
    »Bitte, Sir, wir wollen Euch nichts verkaufen; wir wollen etwas kaufen.« Ich hatte all meinen Mut zusammengenommen.
    Er warf den Kopf zurück und lachte. »Und was wollt Ihr hier kaufen? Ei, Frauen wie Ihr brauchen doch keine Turnierrüstung.«
    »Wir sind Wehmütter. Wir möchten etwas angefertigt haben«, brachte Hilde schüchtern heraus.
    »Was, etwa einen kleinen, runden Schild oder einen Helm zum Schutz vor unzufriedenen Kundinnen?«
    »Nein, Sir«, gab ich zurück. »Es ist eher eine Waffe. Eine Waffe im Kampf um das Leben.« Jetzt merkte er auf.
    »Ihr seid mir vielleicht eine liebe, kleine Närrin. Wißt Ihr denn nicht, daß Ihr meine Preise nicht zahlen könnt? Bei mir stehen selbst Herzöge in der Kreide.«
    »Wir haben Geld gespart, und es ist auch sehr klein, das Ding, das wir haben wollen. Es muß nur vollendet gemacht werden – leicht und stark und glatt. Bruder Malachi hat gesagt, wir sollten es bei einem Waffenschmied versuchen, beim besten, den es gibt. Er hat gesagt, das wäret Ihr.«
    »Dieser schurkische Schwindler, dieser sogenannte Bruder Malachi ist also wieder im Lande? Nach allem, was er meinem Bruder angetan hat? Bei den Gebeinen Gottes, das ist stark!« Hilde und ich blickten uns an.
    »Eure Miene besagt, daß Ihr seine Tricks kennt.«
    »War's sehr schlimm, was er getan hat?« fragte ich.
    »Schlimm oder gut, das kommt auf den Standpunkt an. Schimpflich war's, wenn Ihr mich fragt. Mein Bruder war krank, und dieser verdammte Quacksalber hat ihm ein Stückchen vom Knöchel des Heiligen Dunstan angedreht. Mein Bruder wird gesund. ›Gelobt sei die heilige Reliquie‹, ruft er. ›Laß mal sehen‹, sag ich. ›Ei, das ist doch nichts als ein Stückchen von der Schweinshaxe.‹ ›Vonwegen‹, brüllt mein Bruder, und schon zieht er mir eins übers Ohr. Bis auf den heutigen Tag trägt er den Schweineknochen um den Hals und redet kaum noch mit mir. Bruder Malachi, ha!« schnaubte John und spuckte angewidert ins Feuer.
    »Dann hat Bruder Malachi also unrecht?« sagte ich schüchtern.
    »Unrecht, womit? Mit Schweinshaxen?« brüllte er.
    »Unrecht damit, daß Ihr der beste Waffenschmied in London seid.«
    »Der Beste in London? Ja, da täuscht er sich. Ich bin der Beste in ganz England!«
    »Das können wir uns nicht leisten, Margaret. Laß uns gehen, liebes Kind. Ich geniere mich hier so.« Hilde wandte sich zum Gehen.
    »Erst kommen und dann mir nichts dir nichts wieder gehen! Ihr stört mich mitten in der Arbeit. Ihr vergeudet meine Zeit. Ihr erzürnt mich mit dem Namen dieses bodenlosen Betrügers. Und jetzt geht Ihr ohne eine Erklärung? Frauen! Uff!« John verschränkte die mächtigen Arme.
    »Weg von hier«, sagte ich. »Er weiß es eben nicht zu machen. Es ist zu schwierig.«
    »Hiergeblieben, kleine Frau«, knurrte er und verstellte mir mit seinem riesigen Fuß den Weg. »Es gibt wirklich nichts, was ich nicht machen könnte.«
    »Streitäxte und Pferderüstungen, ja, das wohl und obendrein sehr gut – aber das hier erfordert Feinarbeit. Da gehe ich lieber woanders hin«, sagte ich von oben herab.
    »Feinarbeit, sagt Ihr? Feinarbeit? Ich, ich könnte eine

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