Die Stimme
eine Hand müßten sie sein, nur dünner, so, siehst du, denn der Kopf muß hineinpassen.« Jetzt hatte es auch Hilde gepackt.
»Man muß es aber richtig anstellen, sonst zerdrückt man den Kopf. Und wie stündest du dann da?« fragte sie. Dann überlegte sie einen Augenblick. Sie bewegte die Hände, als ob sie einen Kinderkopf umfaßte. »Hmm«, sinnierte sie. »Hier mußt du sie ansetzen, und nirgendwo sonst. Direkt über den Wangenknochen, wo die härteste Stelle ist.«
»Frauen! Ewig der Beruf! Ich gehe jetzt und entreiße dem Universum seine Geheimnisse! Sim, komm mit – ich brauche dich am Blasebalg. Für meinen nächsten Versuch muß das Feuer ganz heiß sein.«
»Wartet, wartet, Bruder Malachi – könntet Ihr mir ein Modell davon machen?« fragte ich.
»Mein liebes Mädchen, du brauchst nicht mich – du brauchst einen Mann, der mit feinem Stahl umgehen kann. Beispielsweise einen Waffenschmied.«
»Einen Waffenschmied? Was für einen Waffenschmied?«
»Den besten, mein Kind, den besten. Du willst doch wohl keinen tolpatschigen Hufschmied darauf ansetzen. Der arbeitet viel zu grob und nimmt schlechtes Material.« Malachi wollte in seinem Stinkezimmer verschwinden.
»Aber ich kenne keinen Waffenschmied.«
»Ich aber – frag nach John von Leicestershire –, ich habe einstmals seinen Bruder gekannt – er wohnt draußen in Smithfield wie die meisten guten Waffenschmiede.« Und damit war er fort.
»Margaret, ich setze großes Vertrauen in deine Träume«, sagte Hilde. »Viele hast du ja nicht, aber wenn, dann sind sie brauchbar. Vielleicht sollten wir es versuchen.«
»O Hilde, Waffenschmiede machen doch nichts umsonst. Dazu langen unsere Mittel bei weitem nicht.«
»Es ist doch nichts Großes. Ganz schlicht und einfach. Es muß stark und leicht sein. Wie könnte das wohl viel kosten? Ich habe den größeren Teil von meinem Zwillingshonorar noch. Versuch es, Margaret.«
»Aber wie soll das Ding aussehen?«
»Du hast doch davon geträumt, hast du es da nicht gesehen?«
»Im Traum war alles ganz einfach, aber wenn ich es mir jetzt überlege, so ist doch jeder Säuglingskopf verschieden groß und liegt anders. Die Form muß aber genau stimmen – vielleicht müßte man sie irgendwie anpassen können.« Wir kamen wieder auf die Küchenzange zurück. Vielleicht, wenn man sie auseinandernahm und sie dann auf diese Weise wieder zusammenfügte – Hilde nahm die Hände, und ich nahm meine, und wir ahmten die erforderliche Bewegung nach. Nachdem wir die Form festgelegt hatten, legten wir die Küchenzange in meinen Korb, falls wir noch einmal darauf zurückkommen mußten, und Hilde holte ihr Geld. Alsdann machten wir uns nach der Giltspur Street in Smithfield auf, die draußen vor der Stadtmauer und jenseits des Aldergate-Tores gelegen ist, wo die Waffenschmiede ihr Geschäft betreiben. Es gibt Waffenschmiede, bei denen es nicht zum Meister einer großen Werkstatt langt, die arbeiten dann in den Zunftwerkstätten der City, andere für große Herren. Doch in Smithfield werden die größten Turniere abgehalten, und deshalb gehen dort auch die Geschäfte am besten. Dahin gingen wir also, um John von Leicestershire aufzusuchen.
Die große Werkstatt des Waffenschmiedes war das reinste Bienenhaus. Dutzende von Lehrlingen und Gesellen waren bei der Arbeit, sie hämmerten und formten und bearbeiteten Stücke von riesiger bis hin zu kaum noch vorstellbar winziger Größe. In Gestellen waren Schwerter, Dolche und Messer jeder Ausführung zum Verkauf ausgestellt. Fertige und unfertige Stücke hingen überall an den Wänden neben den arbeitenden Männern: große Brustharnische für Pferde, Rüstungen für Hunde, zierlich gezogene Turnierrüstungen baumelten dort wie Teile von entkörperten Leibern, dazu Kettenpanzer, die mir wie Wäsche auf der Leine vorkamen. Ein Mann setzte winzige kleine Stückchen zusammen, die Fingergelenken glichen. Neben ihm an der Werkbank vollendete ein anderer Mann ein seltsames Gebilde, das an Drachenflügel denken ließ, jedoch von der Größe meines Handtellers. Für welchen Körperteil mag das wohl gedacht sein, überlegte ich.
»Ihr wollt den Meister sprechen?« fragte ein Geselle vor einer der Essen in dem großen Raum aus Stein und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Alles drehte sich um und starrte uns an. Hier waren Frauen fehl am Platz. Etliche Männer arbeiteten in der Hitze halbnackt, und die Luft schwirrte von kräftigen Flüchen. Man hörte das ›Kuschkusch‹, mit
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