Die Stimme
Vorübergehende, die mir ehrlich aussah, am Ärmel.
»Ei, habt Ihr das denn nicht gehört? Eine wundertätige Manifestation! Eine Gevatterin wollte Haferpfannkuchen backen und dabei verbrannte ihr einer. Als sie ihn aufhob und wegwerfen wollte, da formten sich die angebrannten Stellen zum Antlitz unseres Heilands! Das zeigt, daß Gott die Niedrigen liebt. Jeder, der den Pfannkuchen gesehen hat, ist errettet. O, ich muß mich beeilen, sonst ist er noch weg!« Und schon stürmte sie mit der Menge die dunkle Gasse entlang.
Wahrlich, alles deutete auf einen bösen Frühling hin. So früh schon wundertätige Pfannkuchen? Und dabei war es noch nicht einmal Ostern. Ich sah nach, wie ich vielleicht wohlbehalten aus dem Torweg herausschlüpfen könnte, als ich eine bekannte Stimme hörte.
»Ei, da ist ja Margaret, die kleine Wehmutter! Seid Ihr auch wegen der wundertätigen Manifestation gekommen!«
»O, Vater Edmund, ich wollte bloß nach Haus, ohne niedergetrampelt zu werden. Aber was führt Euch hierher?«
»Mein Beruf, und deshalb muß ich Euch jetzt auch verlassen.« Er stürzte sich in die Menge, und ich konnte ihn rufen hören:
»Laßt mich durch, Ihr guten Leute!«
»Ei, wenn das nicht ein Priester ist!«
»Laßt ihn durch, er will ihn auch anbeten!«
»Nein, der will ihn bloß für sich haben.«
»Aber nicht mitgehen lassen!«
»Laßt mich durch!« Vater Edmunds Stimme klang dringlicher.
»Laßt ihn nicht durch, er stiehlt ihn!«
»Ich will ihn nicht stehlen, ganz gewiß nicht!«
»Dann wartet, bis Ihr an der Reihe seid, wieso solltet Ihr wohl vor uns errettet werden? Wir warten schon länger.«
»Das Wunder muß auf seine Echtheit geprüft werden, versteht Ihr denn nicht? Später wird man Sorge dafür tragen, daß es jeder zu sehen bekommt.«
»Hab ich nicht gesagt, daß er ihn mitgehen lassen will.«
»Ihr wollt ihn stehlen, damit Ihr Geld nehmen könnt, wenn man ihn ansehen will, so ist das. Der Pfaffe hier haßt die Armen, der Blutsauger, der.«
»Aber ich will ihn ganz und gar nicht stehlen.«
»Das sagt ihr alle.«
»Ihr wollt bloß nicht, daß die Armen errettet werden. Eher macht Ihr die Manifestation kaputt.«
»Ei, sie sind sich alle gleich. Priester sind gemeine Mistkerle!«
»Er will ihn kaputtmachen! Haltet ihn zurück!«
Schrecklicher Aufruhr, man konnte Gebrüll hören und wie miteinander gekämpft wurde. Jetzt bewegte sich die Menge in die andere Richtung. Sie jagte hinter Vater Edmund her und die Gasse entlang.
Man hatte sich in eine Pro- und eine Anti-Priester-Partei gespalten, und jetzt wurden auch Fäuste, Kunkeln und Kochlöffel eingesetzt. Als ein abscheulicher Gegenstand, den jemand aus der Gosse gefischt hatte, an meinem Torweg vorbeigeflogen kam, sah ich Vater Edmund aus der Menge auftauchen. Sein Gewand war zerrissen und beschmutzt, und er humpelte. Über einem Auge bildete sich ein blauer Fleck, und aus dem Mundwinkel rann ihm Blut. Als er dachte, er hätte es geschafft, stellte ihm jemand ein Bein, und er fiel der Länge nach hin.
»Laßt ihn in Ruhe!« schrillte meine Stimme, und ich trat aus meinem schützenden Torweg heraus. »Er stiehlt überhaupt nichts. Wie sollte er auch, wo ihr ihn zusammengeschlagen habt.« Ich hatte mich zu voller Größe aufgerichtet, soweit mir das möglich ist, und blickte die Menge wütend an. Die wich ein wenig zurück. »Schämt ihr euch denn nicht?« Und ich fuhr fort: »Gott liebt euch sicher mehr, wenn ihr, um Seine Gnade zu erlangen, nicht über Seinen Diener wegtrampelt! Und weil ihr so durch die Gegend gerannt seid, ist jetzt euer Platz futsch. Den hat inzwischen schon jemand anders, da, seht nur!« Ein großer Mann in der vordersten Reihe drehte sich erschrocken um.
»Ich warte schon so lange! Die da sind gerade gekommen und drängen sich einfach vor! Weg da!« Und schon wollte er sich wieder in die Gasse zurückdrängeln.
»Nein, weg mit dir, du Bauerlümmel!«
»Ich war vor dir da!«
»Laß mich durch!«
Und die Menge schob sich wieder in Richtung des wundertätigen Pfannkuchens. Vater Edmund stand auf und klopfte sich den Dreck ab.
»Das hatte ich nicht im Sinn, als ich mein Leben Gott weihte«, sagte er. Dann blickte er mich an.
»Danke, Margaret. Anscheinend wißt Ihr mit solchen Leuten umzugehen.«
»Nicht wirklich. Aber Ihr seht elend aus. Wir wohnen nicht weit von hier. Kommt mit und erholt Euch ein wenig, ehe Ihr heimkehrt. Wohin wollt Ihr?«
»Nach St. Paul's.«
»Ein weiter Weg. Da müßt Ihr zuerst bei
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