Die Stimme
anfassen?« Man tut immer gut daran, auf Bruder Malachis Grillen einzugehen; was sein Gewerbe angeht, kann er empfindlich sein, und dann ist er auch sehr wetterwendisch.
»Beinahe wirklich und wahrhaftig. Es ist genau so, wie es sich der Papst gewünscht hätte, wenn er es kennen würde. Ich habe es mir in Paris machen lassen. Paris ist gar nicht so weit von Avignon entfernt, und so stammt es sozusagen aus dem richtigen Land. Dazu sehr hübsch gearbeitet. Hier bekäme man schwerlich etwas so Schönes angefertigt.« Er wandte es hin und her und lächelte in sich hinein. Dann machte er sich daran, die Papiere, welche er geschrieben hatte, mit dem heißen Wachs zu siegeln.
»Das da«, sagte er befriedigt, »ist mein neuer Vorrat an Ablaßbriefen, alle ordentlich in Latein. Die leere Stelle hier ist für den Namen des Käufers gedacht. Bei mir bekommt man etwas fürs Geld. Ich berechne weniger als meine Konkurrenten und vergebe viel, viel mehr.«
»O, Bruder Malachi, schon wieder eine von Euren abscheulichen Gaunereien!«
»Ei, du liebes, kleines Dummchen, ich habe doch eine Konzession für den Vertrieb. Es gibt so manches habgierige Kloster, das diese Art von Papier ohne die geringste Konzession verkauft Denk doch nur, wie ehrbar ich dagegen bin und schäme dich! Da schau mal! Das hier ist die päpstliche Bulle!« Und er zauberte aus einer Innenfalte seines Gewandes ein abgegriffenes Pergament hervor.
»Siehst du, wieviele Siegel sie hat! Sieh hin und erzittre und bitte um Vergebung für solch eine gemütsrohe Unterstellung!«
Ich sah näher hin. Das größte Siegel war das gleiche wie auf den Ablaßbriefen. O je, gewiß werden wir ihn verlieren, grämte ich mich still. Er kommt nie zurück, wenn sie ihn einmal erwischt haben. Doch um ihm zu gefallen, täuschte ich albernes Entzücken vor und bat, das Dokument küssen zu dürfen, genau wie die dummen Bauern, die den größten Teil seiner Abnehmer ausmachten.
»Ah, ah! Nicht ohne zu zahlen. Nicht einmal dir, liebes Kind, kann ich aus meinem Vorrat einfach so abgeben!« Und er machte sich pfeifend wieder an seine Arbeit.
Hilde hörte ihn und steckte den Kopf zur Tür des Stinkezimmers herein.
»Lieber Malachi, wie lange willst du uns denn verlassen?«
»Ein, zwei Monate, meine Lieben, doch grämt euch nicht. Hob kann jetzt ja aushelfen.«
Hob zählte auch zu den Frühlingsanzeichen. Er war ein dürrer, trauriger Mensch unbestimmbaren Alters, der von einem Landsitz in Kent ausgerückt war. Eines Tages war er ans Haus gekommen und hatte um Arbeit gebettelt, wobei er vorgab, ein freier Arbeiter zu sein. Man mußte kein Zauberer sein um zu sehen, daß es sich um einen entlaufenen Leibeigenen handelte, denn er war schon einmal gebrandmarkt worden. Wie er den Streifen seines Herrn entgangen war, weiß ich nicht zu sagen, denn er redete nie. Aber nun brauchte er sich nur noch zehn weitere Monate in der Stadt aufzuhalten, und dann hatte niemand mehr Anspruch auf ihn, er war frei. Viele Leute wissen, daß wir für eine Mahlzeit gut sind, und das mußte Hob irgendwo zu Ohren gekommen sein, denn er stellte sich genau zur Essenszeit ein. Hildes und meine Geschäfte gingen gut, und so brauchten wir einen Mann zur Aushilfe, und zum Helfen bekommt man dieser Tage schwerlich jemand. Und Malachi war noch mehr als nutzlos, denn die Suche nach der universellen Wahrheit beanspruchte seine ganze Zeit. Also blieb Hob. Er aß nicht viel. Auf diese Weise schienen bei uns alle ins Haus zu kommen: man spazierte einfach hinein.
Wir hatten also Hob, und Malachi begab sich auf seine Frühlingswanderschaft. Wie er sagte: »Leichter Fuß und leichter Sinn. Dann hat dich Gott lieb. Zu Ehren dieses Hauses finde ich, ich sollte mich – hmm – Bruder, umm, Peter nennen. Ja, dieses Mal bin ich Peter.« Und so verschwand er den Sommer über, die Passe seines wieder ausgepackten langen, schwarzen Ablaßkrämergewandes durchfeuchtet von Hildes ungestümen Tränen und auf dem Rücken einen ganzen Sackvoll von seinem ›Warenbestand‹. Er packte seine alchimistischen Geräte fort, damit kein ›Kretin mit ungeschickten Fingern‹ sie ihm während seiner Abwesenheit zerstörte. Wie es sich dann herausstellte, war das ein Glück, denn als er fort war, sah es bei uns nach einem Kräuterladen aus und nicht mehr wie ein Ort, wo man Schwarze Magie betreibt und wo überall Beweisstücke für Ruchlosigkeiten herumliegen.
Ich lüftete gut durch und schrubbte das Hinterzimmer, und danach war es gar nicht
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