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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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und besah sie von beiden Seiten, dann schüttelte er verwundert den Kopf.
    »So ein Glück, so ein Glück. Keine Verletzung. Das kann kaum jemand von sich behaupten. Ich habe nämlich geschäftlich viel mit dem Kontinent zu tun. Mit Frankreich, Deutschland, Italien. Überall das Gleiche. Etliche gute Freunde habe ich bereits verloren. Wenn man ihnen dort Geld bietet, folgern sie, daß man noch mehr versteckt hat und schnappen einen trotzdem; dann können sie nämlich alles bis aufs letzte bißchen konfiszieren, diese geldgierigen, widerlichen Schwarzröcke! Hier in England jedoch gilt es als unpatriotisch, Bestechungsgelder abzulehnen. Ich rechnete mir schon aus, daß es einen Batzen kosten würde, aber wahrscheinlich hätte ich auch Erfolg gehabt.« Er legte den Kopf schief, so als ob er im Geist Summen überschlüge.
    »Da sind natürlich die privaten Geschenke – ich hätte ihnen mehr bieten müssen, als sie von Euren Denunzianten bekommen haben. Dann würden sie mir ein paar Kirchenfenster abgeknöpft haben, dazu vielleicht noch eine Kapelle – hm, kann sein, auch ein Versprechen, daß Ihr Euch gut aufführt. O ja, es wäre teuer geworden, aber die Sache war es wert. Meine Gicht hat sich seit Eurer Verhaftung sehr verschlimmert. Ich mußte Euch einfach wiederhaben!«
    »O Master Kendall, soviel hättet Ihr für mich getan? Euer Vermögen aufs Spiel gesetzt?«
    »Für meine Gicht, für meine Gicht. Mit Schmerzen werde ich einfach nicht fertig. Könntet Ihr auf der Stelle kommen und mich behandeln?«
    »Aber ich darf nicht mehr heilen. Das ist eine der Bedingungen«, sagte ich.
    »Dann bezeichnet es als einen gesellschaftlichen Besuch«, sagte er unbekümmert. »Das bekomme ich schon hin. Nun grämt Euch nicht länger, geht nach Haus und holt dieses stinkige Zeug, das Ihr immer drauftut, und diesen ekelhaften Tee auch. Ich habe Schmerzen, schlimme Schmerzen, ich kann es kaum noch aushalten!«
    Ich beeilte mich, das Gewünschte zu holen. Nichts belebt so sehr wie das Wissen, daß man treue Freunde hat. Doch daheim fand ich ein Chaos vor. Meine Freunde packten. Das heißt, Mutter Hilde packte, und Bruder Malachi, der während meiner Abwesenheit zurückgekehrt war, packte erst gar nicht aus. Er saß auf einer Truhe im Stinkezimmer, fuchtelte mit den Armen und gab zur Unterhaltung der Familie eine Geschichte zum Besten. Beim Eintreten bekam ich nur noch den Rest mit:
    » – natürlich war es mein Riesenglück, daß ich zunächst einmal den Gemeindepfarrer aufgesucht hatte, und der war tief beeindruckt, vornehmlich von dem päpstlichen Siegel, und als dann diese großen Bauernlümmel mit Sicheln auf mich eindrangen, warf er sich zwischen uns und sagte: ›Wehe, Ihr krümmt diesem heiligen Ablaßkrämer ein Härchen!‹«
    »Und was passierte dann?« fragte Sim.
    »Ei, ich vergab allen und verkaufte ihnen erstklassige Ablaßbriefe zu Schleuderpreisen. ›Ich habe wunde Füße‹, erzählte ich ihnen, und da legten sie zusammen und trieben dieses schöne, wenn auch etwas angejahrte Maultier für mich auf, auf welchem ich zurückgekehrt bin. Ah! Margaret! Die Rückkehr der verlorenen Tochter!«
    »Ihr braucht nicht zu fliehen. Ich bin frei und muß nicht brennen.«
    »Kann man sehen, liebes Mädchen, kann man sehen! Aber haben sie dir nicht Auflagen gemacht? Wirst du beobachtet?« Bruder Malachi kannte sich aus.
    »Ich glaube schon. Ich werde ungemein vorsichtig sein müssen.«
    Bruder Malachi seufzte. »In diesem Falle, liebes Kind, muß ich meine Suche nach dem Stein der Weisen für ein Weilchen aufschieben und darf meine Geräte gar nicht erst auspacken. Wer weiß, wen sie zum Schnüffeln herschicken?« Dann heiterte sich seine Miene auf. »Doch der Reliquienhandel läuft von Tag zu Tag besser! Habt Ihr gewußt, daß in der Stadt schon wieder Fälle von Pestilenz aufgetreten sind? Ich habe da ein wirkungsvolles Gebet, das man als Schutz dagegen in einem Beutelchen um den Hals tragen kann, und sollte die Krankheit so furchtbar sein, daß selbst das nichts hilft, so kann man es kauen und aufessen, dann hilft es allemal! Vor Jahren habe ich damit in Chester gute Geschäfte gemacht. Gott nimmt mit einer Hand, aber nicht, ohne mit der anderen zu geben!« Und er hob die Augen gen Himmel.
    »Amen!« setzte ich hinzu, denn Bruder Malachi hat so etwas, daß man hinterher immer guter Laune ist.
    »Ich muß fort – der alte Master Kendall möchte seine Gicht behandelt haben.«
    »Der alte Geldsack ist von der schnellen Truppe

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