Die Stimme
den gütigsten und vortrefflichsten Herrn, den jemand haben konnte, und so weiter und so fort, und rief Bruder Gregory ins Gedächtnis, daß er Gottes Willen auf vielerlei Art auch außerhalb des Klosters dienen könne.
Aber so ganz Unrecht hatte Sir William nun auch wieder nicht. Der Herzog hatte für ihn wahre Wunder gewirkt. Mit einem einzigen Meisterstreich hatte er sämtliche Probleme Sir Williams durchgeschlagen wie den gordischen Knoten. Er hatte seine Rechtsberater an die Verträge mit den Lombarden gesetzt, und die hatten herausgefunden, daß selbige mehr Hintertürchen hatten als der Hund Flöhe. Der darauffolgende Prozeß, den der Herzog stark beeinflußte, zuzüglich einiger hübscher Geschenke an die Richter würde zugunsten von Sir William ausgehen. Und in der Zwischenzeit war Sir William wieder im Besitz seiner Ländereien, seine Töchter hatten wieder eine Mitgift, und sein Sohn war heimgekehrt.
»Hach! Da sieht man's wieder, die Macht des Geldes, des Schwertes und des Gesetzes«, sagte Bruder Gregory bei sich, denn sein Streit mit Kendall war ihm wieder eingefallen. Wieder gewinnt das Schwert. Schließlich würde der König nie jemand seine ganze Gunst gewähren, der nicht auch der größte Kriegsherr Englands war. Gern hätte er Kendall aufgesucht und ihm von diesem Fall berichtet, nur um ihm zu beweisen, daß er im Unrecht war. Schließlich weiß jeder, daß Geld ohne das Schwert keinen Landbesitz halten kann. Und da Land gleich Geld ist, ja, so kann sich Geld allein auch nicht halten – selbst wenn jedermann in London glaubt, daß nur noch das Geld zählt. So verderbt ist die Welt nun auch wieder nicht, dachte Bruder Gregory.
Denn etwas würde ihm fehlen, wenn er erst wieder im Kloster war, den Abt mit seiner Demut überwältigt hatte und den Rest seiner Tage in Kontemplation der Göttlichkeit verbrachte – das Disputieren mit Kendall. Und natürlich das Essen – obwohl man in Gegenwart der Gottheit nicht mehr ans Essen denkt, also war das nicht weiter wichtig. Das Unterrichten hatte ihm gutgetan, auch wenn es nicht Philosophie war und der Schüler bloß eine Frau. Das Erlebnis, Margaret ihre kindlichen Buchstaben ins Wachs ritzen zu sehen und zu wissen, daß er sie unwiderruflich veränderte, das verschaffte ihm eine sonderbare Befriedigung.
Ja, wenn er so darüber nachdachte, so war London voll von Dingen, die ihn glücklich machten. Das Leben dort war, als besäße man ein großes Haus: stets fand sich jemand zu einer gelehrten Disputation, es gab hervorragende Bücher oder ein unterhaltsames Essen. Und dann war da noch etwas, woran Bruder Gregory zwar mit keinem Gedanken dachte – und wenn, dann hätte er es sich ohnedies nicht eingestanden. In der Stadt war die kleine Schlange seiner Neugier zu riesiger Größe gediehen, weil es soviel Nahrung für sie gab. Sie hatte sich von den Briefen genährt, die er für alle Arten von einfachen Menschen schrieb, an Margarets Buch, an Beobachtungen, an Argumenten und ganz schlicht am Schnüffeln, bis sie riesig und ein wahrer Drache geworden war. Und immer wenn sich das Riesending jetzt in den Tiefen von Bruder Gregorys Seele regte, dann mußte er darüber nachdenken, woher wohl das Glas kam oder wie man Uhren herstellte oder wie die Sterne am Himmel befestigt waren oder leider zu oft, was Leute dazu veranlaßte das zu tun, was sie taten. Mittlerweile beobachtete Bruder Gregory mit Vorliebe andere Menschen, bohrte auch gern noch ein wenig nach, um herauszufinden, wie man sie reizen könnte, und verlangte danach, sie zu bessern, ob sie nun wollten oder nicht.
»Wohin du gehst, da gibt es nicht viel zu sehen«, flüsterte der Riesendrache.
»Es gibt Gott, und mehr will ich gar nicht sehen«, schnaubte Bruder Gregorys Seele.
»Werd' du nur nicht hochnäsig«, gab der Drache zurück.
Auf einmal kam Bruder Gregory eine neue Idee. Wenn Gott überall ist, dann wäre es doch durchaus vernünftig, ihn in der City zu suchen?
»Eine selbstsüchtige Vorstellung«, sagte seine Seele. Doch der Drache hatte sich erneut geregt und sein großes Haupt erhoben. Dieses Geschöpf ließ sich nur schwer unterkriegen.
Am Abend lag Bruder Gregory nachdenklich in einem Bett hinten im Ale-Ausschank eines Dorfes zusammen mit fünf weiteren Schläfern, die sich überall um ihn herum zusammengerollt hatten. Alle waren voll bekleidet, auch Bruder Gregory, damit niemand dem anderen die Kleider stehlen konnte. Mit dem Kopf auf dem kleinen Bündel, das sein Brevier, das
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