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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Mutter des Mädchens gekannt. Das waren ehrbare Leute. Sie ließ einen rosigen Jungen zurück, als man sie holte, daß sie seinen Sohn stillen sollte, aber ihr Kind wurde auch nicht alt. Eselsmilch taugt nicht für Säuglinge.«
    »Wie wahr«, nickte Mutter Hilde. »Mit Brei bekommt man nur wenig Kinderchen groß.« Ich schwieg. Wie konnte Mutter Hilde nur so ruhig bleiben? Sie tätschelte mir die Hand, so als könnte sie meine Gedanken lesen und sagte:
    »Ich habe schon härtere Männer als diesen Sir Raymond gekannt, aber der Herr wird erretten, welche fest auf Ihn vertrauen. Also, ich kenne da eine Geschichte von der alten Wehmutter, die mich unterrichtet hat, wirklich, das war die weiseste Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist…« Und so tauschten wir einige Geschichten über schwere Geburten aus, welche im Reich der Frauen die Währung darstellen, und besiegelten damit unsere Freundschaft zur Frau des Stallknechtes.
    Dann kam das Gespräch auf harte Ehemänner, und ich besah mir meine Fingernägel und sagte keinen Mucks. Wir hörten, wie Sir William seiner Frau wegen ihrer Widerworte die Nase gebrochen hatte, und von der Länge und Beschaffenheit der Rute, die Sir Raymond für Lady Blanche gebrauchte, denn er hatte überall herumerzählt, einen Gentleman erkenne man daran, daß er Disziplin erzwingen könne, ohne daß die Haut einer Frau dabei Schaden nähme. Stumm schwor ich bei mir, daß ich nie wieder heiraten würde, unter keinen Umständen, und daß ich jedem Mann, der mir wieder mit der Rute käme, im Schlaf ein Messer zwischen die Rippen jagen würde. Meine Augen müssen hart geblickt haben, denn die alte Sarah unterbrach sich und richtete das Wort an mich:
    »Ich sehe schon, du hast noch nicht die Erfahrung gemacht, wie kalt ein Ehemann sein kann, denn sonst hättest du mehr Mitgefühl. Alles fängt damit an, daß er dich nicht mehr im Bett will. Bist du erst einmal häßlich, dann rennt er herum und schlägt dich – das einzige, wozu du dann noch für ihn taugst, ist Kochen.« Jetzt lief ihr eine Träne über die Wange, und mir tat es leid, daß ich mich so herzlos meinen eigenen Gedanken hingegeben hatte. Aber mit der Vorstellung, daß ihr alter Ailrich noch hinter anderen Frauen her war, tat ich mich denn doch schwer. Der kann eher von Glück sagen, daß er sie hat, dachte ich.
    »Hilde versteht das – aber einem so jungen Mädchen wie dir ist das einfach unmöglich. Ich habe alles ausprobiert – es ist nur eine Nichtigkeit, und doch fängt alles damit an.« Sie streckte die Hand aus. Auf den Knöcheln saßen Ansammlungen von verschorften, schwarzen Warzen.
    »Mit Warzen?« fragte ich. Hilde kniff mich. Sie fand wohl, ich wäre vorlaut.
    »Jaja. Es ist rein gar nichts, aber das reicht schon. Ich habe auch welche auf dem Leib, na, ihr wißt schon, was ich meine, und noch kein Mittel hat angeschlagen. Er sagt, er steckt sich daran sein Glied an – ach, wie ist er dieser Tage doch kalt und hart.«
    »Habt Ihr es mit einem roten Faden versucht, drumbinden und dann singen –« Mutter Hildes Frage wurde von der Gevatterin Sarah unterbrochen:
    »Hab ich, und Weihwasser und Krötenaugen und alles Übrige. Die weisen Frauen und Priester haben mich arm gemacht. Ja, selbst diesem Haar vom Heiligen Dunstan, das Vater Denys verwahrt, hab ich eine Spende gemacht. Er sagt, es hat nicht geklappt, weil ich in der Beichte irgendeine heimliche Sünde verschwiegen habe. Aber das stimmt wirklich nicht! Alles vergeblich, einfach vergeblich.«
    Mutter Hilde blickte mich fragend an. Das brachte mich in Verlegenheit, und ich blickte zu Boden, nickte dann aber zustimmend.
    »Ihr könntet noch etwas anderes versuchen«, schlug sie vor.
    »Etwas anderes? Wahrscheinlich teuer, garstig und entwürdigend. Ist derlei Zeugs doch immer«, war Sarahs bittere Antwort.
    »Nein, Margaret sagt, sie will es versuchen. Sie besitzt eine sonderbare Gabe. Vielleicht klappt es nicht. Aber Versuch macht klug, und es tut auch ganz gewiß nicht weh.« Sarah seufzte.
    »Warum nicht?« fragte sie. »Was muß ich tun?« Ich kam mir sehr albern vor, als ich sagte:
    »Ich lege Euch meine Hände auf, und wir knien zusammen nieder, und dann – hmm – sage ich im Geist ein Gebet.«
    »Und das ist alles? Na gut, wenn's nichts kostet, an mir soll's nicht liegen.«
    Und so geschah es. Ich versetzte meinen Geist in genau die gleiche Verfassung, in der ich gewesen war, als ich den Schleier aus goldenem Licht erblickte. Meine Hände fühlten sich

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