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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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hingen und im ständigen Qualm vor sich hinräucherten. Man hatte die Tische entfernt, aber der Krach von Männern und Hunden war noch größer als gewöhnlich, denn Sir Raymond wollte auf Jagd gehen. In einer Ecke spielte eine Gruppe ungebärdiger Pagen Ball. Wir konnten Mägde sehen, wie sie müßig schwatzend herumstanden und ihre Pflichten vernachlässigten. Fürwahr, ein Haus gerät aus den Fugen, wenn die Hausherrin nicht herrschen kann!
    »Diese Binsen werden wirklich eklig«, meinte ich zu Hilde, als wir uns einen Weg durch den Abfall auf dem Fußboden bahnten.
    »Du stellst dich nur an«, lächelte sie. »Der Herr hier gilt als ordentlicher Mensch, denn während der Fastenzeit läßt er sie alle hinausfegen und neue streuen, sozusagen als Vorbereitung auf Ostern.« Dann stelle ich mich wohl an, dachte ich, denn bei dem Gedanken, daß dieser faulige Haufen mit seinem Ungeziefer den ganzen Winter über liegenblieb, drehte sich mir der Magen um. Die Diener von Mylord jedoch fanden nichts dabei, jede Nacht inmitten dieses Abfalls auf Bänken und Decken zu schlafen!
    »Du solltest dich lieber um die Beschaffenheit dieser Hochgeborenen sorgen als um die ihres Abfalls auf dem Fußboden«, sagte meine weise Freundin.
    »Du hast doch sicher einen Plan.« Wie hätte Mutter Hilde wohl nicht alles geplant gehabt?
    »Hmm. Noch keinen richtigen. Laß uns nachdenken.« Sie begann an den Fingern abzuzählen: »Folgende Möglichkeiten gibts: Erstens, das Kind ist gesund und ein Junge – gut. Zweitens, es ist gesund und ein Mädchen – man schiebt uns nicht die Schuld in die Schuhe, aber Vater Denys und der Astrologe, die sitzen dann arg in der Tinte. Drittens, es ist eine Totgeburt – mit ein bißchen Glück schiebt man uns die Schuld nicht in die Schuhe. Viertens, es ist ein kränkliches Mädchen – ich glaube, das gibt keinen besonderen Ärger. Doch wenn es, letztens, ein kränklicher Junge ist – in dem Fall sind wir geliefert. Und dann kommt es noch darauf an, wie Lady Blanche sich erholt, doch was das angeht, so sehe ich da keine großen Schwierigkeiten voraus, schließlich hat sie schon Kinder ausgetragen. Nur die Jüngste ist sie auch nicht mehr. Hmm, ich glaube, vorsichtshalber sollte ich mich mit dem Torwächter anfreunden. So kann ich ihn bestechen, falls wir in aller Eile aufbrechen müssen. Natürlich bedeutet Flucht ein Schuldgeständnis – wir werden uns sehr beeilen müssen, damit man uns nicht einholt. Margaret, ich glaube, wir sollten alles gepackt haben, wenn die Wehen einsetzen, nur als Vorsichtsmaßnahme. Aber mit ein bißchen Glück wird es nicht zum Schlimmsten kommen.« Ich bewunderte Hildes Art zu denken. Sie betete nicht einfach, obwohl sie auch das wahrlich nicht vernachlässigte. Sie hatte mir oftmals gesagt, daß Wehmütter nicht alt werden, wenn sie nicht auch schlau sind. Seither habe ich viele Erfahrungen sammeln dürfen, und ich glaube, sie hat recht.
    Wir hatten nach Peter gesehen, befanden uns jetzt auf dem Rückweg und überquerten gerade den Burghof, als die Gevatterin Sarah aus dem Haus gestürzt kam und Hilde am Ärmel zupfte.
    »Hilde! Hilde, laß dich warnen! Da sucht jemand nach dir, mit dem du kein Wort reden darfst. Geh sofort zurück und benutze nicht den Laufgang beim Garnisonstor.«
    »Wer mag das wohl sein, wir kennen hier doch kaum einen Menschen?« fragte Hilde ein wenig neugierig.
    »Eine Frau, die so gut wie tot ist, doch ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie zu verraten.«
    »Aha, ich glaube, ich weiß Bescheid und werde deinen weisen Rat befolgen. Vielen Dank, liebe Freundin«, erwiderte Hilde und nickte zustimmend. »Aber jetzt muß ich schleunigst gehen, denn das Kind von Mylady kann jeden Augenblick kommen.« Wir umarmten und trennten uns, und ich folgte Hilde über den Burghof. Als wir außer Sicht waren, gingen wir zu einem dämmrigen Laufgang hinüber, stiegen einen düsteren Stiegenschacht hinunter und kehrten im Untergeschoß des Bergfrieds geradewegs zum Garnisonstor zurück!
    »Was soll das heißen?« fragte ich ein wenig ängstlich. Sie hatte nicht nur einen ehrlich gemeinten Rat in den Wind geschlagen, sondern um die Ecke herum erhaschte ich auch einen Blick auf den Wachraum. Furchtbares konnte uns zustoßen, wenn man uns hier fand. Aber Hilde sagte gelassen:
    »Es gibt hier ein Geheimnis, vielleicht können wir Gutes tun«, und schritt furchtlos voran.
    Ich spürte, wie mich jemand am Ärmel zupfte und fuhr erschrocken herum.
    »Schscht!« sprach

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