Die Stimme
könnte, daß ein neues Kind auch immer neue Hoffnung bedeutet. Gewähre Gott Raum, daß er handeln kann, und vielleicht wird doch noch alles gut.«
»Gott? Gott? Was hat denn Gott für mich getan? Gott ist doch nur der Größte unter diesen ganzen Herren, noch so ein Mistkerl, der Dummköpfen, die er verderben will, mit süßen Worten kommt. Das müßte schon ein falscher Gott sein, der mit vollen Händen Tod und Verderben austeilt und immerzu neue Unschuldige auf diese Welt schickt, damit sie den Leidensbecher leeren und daran sterben müssen? Schweigt mir stille von Gott, denn ich habe Ihn erkannt als das, was Er ist, und ich hasse Ihn!« Belotte knirschte mit den Zähnen, ihre Augen blickten wild.
»Dennoch darfst du nach einer von uns schicken, wenn deine Zeit gekommen ist«, sagte Mutter Hilde beschwichtigend. »Ich sehe doch, daß du in einer Männerwelt lebst, da findest du wohl schwerlich jemanden, der die Nabelschnur für dich durchschneidet.«
»Niemals«, zischte Belotte, während sie eine dämmrige Stiege hinunterhastete und unseren Blicken entschwand.
»Was ist da unten?« wisperte ich.
»Der Keller, die Lagerräume. Die Verließe. Und Belotte«, antwortete Hilde. »Schnell weg, hier ist es gefährlich für Frauen.« Und das schien sich zu bewahrheiten, denn hinter uns vernahmen wir schwere Fußtritte.
»Halt, wer da!« rief uns eine tiefe Stimme an. »Belotte, was machst du hier bei Tage?« Wir standen still, und meine Knie zitterten; es war der Wachtmeister, dem die Garnison unterstand, mit zwei bewaffneten Männern.
»Ha! Neuzugänge, was?« sagte der zweite Mann mit einem lüsternen Grinsen.
»Nichts da.« Ich hatte meine Stimme wiedergefunden, »wir sind Wehmütter, von denen Belotte ein Mittel haben wollte, um ihr Kind loszuwerden. Aber solche Mittel haben wir nicht, und darum gehen wir.«
»Oho, die Frauen vom Lande!« sagte der Wachtmeister. »Ich habe von Euch gehört, ich mußte ja schließlich die beiden Männer ausschicken, die Euch geholt haben. An der da solltet Ihr Euch die Hände nicht schmutzig machen. Ich werde Euch persönlich zurückbegleiten.« Und er schickte die beiden anderen fort, während er uns zu dem Stiegenaufgang führte, der uns nach draußen und in den Hof brachte.
»Im Vertrauen«, fragte er uns, als wir nach oben gingen, »wie geht es denn dem alten Mädchen?«
»Wem?« gab ich zurück.
»Belotte. Wir haben letztens nicht viel von ihr zu sehen gekriegt. Ihr ›Schatzkästlein‹ muß ganz schön schwer sein.« Er lachte schallend. Als ich angewidert zurückfuhr, wurde seine Miene vertraulich.
»Paßt mal auf«, sagte er. »Ihr solltet Belotte dankbar sein. Nur weil sie da ist, kann sich Euresgleichen sicher fühlen. Wie sollte ich wohl einen Haufen bewaffneter Männer ohne ein bißchen Hurerei in Schach halten? Wir sind nämlich keine Mönche. Unser Geschäft ist der Tod; wenn nichts los ist, langweilen wir uns. Zehn Meilen in die Runde, wo ich mit meinen Kerls einquartiert bin, ist kein Fäßchen und keine Frau davor sicher, daß wir sie nicht anzapfen!« Er legte die Hand auf das Heft seines Schwertes und lachte grimmig. »Und deswegen«, fuhr er fort, »müssen wir, im Interesse der öffentlichen Ordnung, so könnte man sagen, dem Teufel geben, was des Teufels ist. Belotte ist nicht viel, aber sie ist alles, was wir haben. Und ich schließe mich da nicht aus.«
Mutter Hilde schürzte mißbilligend die Lippen.
»Mach kein so grämliches Gesicht, Alte. Da! Schon oben. Und du, kleine Wehmutter, schick nach mir, falls du einmal Hilfe brauchst. Vielleicht können wir einander eines Tages einen guten Dienst erweisen. Schick nur nach Watt Grene – manchmal auch Watt Longshanks, der Langbein, genannt.« Er hatte uns wohlbehalten an der Hoftür zur großen Halle abgeliefert, und nun drehte er sich um und ging pfeifend auf dem sonnenbeschienenen Hof davon.
Als wir an diesem Mittag unten in der Halle bei Tische saßen, war mir beim Anblick der Lümmel unterhalb des Podestes weniger bänglich zumute. Denn unter den Zechern erblickte ich das erhitzte Gesicht von Watt und seinen Kumpanen – genauso betrunken wie die anderen, aber vielleicht, so dachte ich, doch Freunde in der Not.
Am Nachmittag traf ich Hilde ins Gespräch mit Lady Blandies ältester Tochter und ihren Oberkammerfrauen vertieft. Gemeinsam gingen wir in Lady Blanches Zimmer, wo sie lag und sich damit vergnügte, den drei riesigen Jagdhunden, die um ihr Bett herumschwänzelten, Brocken ihres Essens
Weitere Kostenlose Bücher