Die Stimme
eigentlich das Recht, sich für so groß zu halten, daß sie Seine Worte abändern?«
Bruder Gregory wechselte auf festeren Boden, wie er glaubte, und eröffnete eine zweite Front.
»Wer aber ein Kind von niedriger Geburt mit Kindern von edlem Geblüt zusammentut, bringt damit Gottes Plan zur Regierung der Welt durcheinander. Gott hat die Menschen von edlem Geblüt dazu geschaffen, daß sie über die von gemeinem Blut herrschen. Nicht einmal Christus hat gefordert, daß man die rechtmäßigen Herrscher absetzt. So wurde, um mögliche Sünden abzuwenden, eine große Sünde gegen Gottes Plan zur Ordnung des Universums begangen.« Bruder Gregory blickte sie triumphierend an.
»Wer sagt denn, daß solch ein Kind von niedriger Geburt ist? Was ist niedrig geboren eigentlich? Stammen wir nicht alle gleichermaßen von Adam ab?«
»Das meint auch der Pöbel draußen vor Eurer Tür, Madame«, sagte Bruder Gregory naserümpfend, dann sang er spöttisch und mit gespielt bäurischer Aussprache:
»› Als Adam grub und Eva spann,
wer war denn da der feine Mann? ‹«
»Das ist gar keine Antwort«, triumphierte Margaret und verschränkte die Arme.
»Ist es aber doch«, gab Bruder Gregory mit überlegener Miene zurück. »Dieses alberne Liedchen ist das Produkt eines niedrigen, unzufriedenen Gemüts, welches in gänzlicher Unkenntnis der Heiligen Schrift leugnet, daß Gott seit Adams Zeiten rechtmäßige Herrscher über die Menschheit gesetzt hat. Große Familien regieren zu Recht, denn edles Blut ist stärker, tauglicher und gemeinem Blut überlegen.«
»Aber woran erkennt man das edle Blut?« antwortete Margaret gewitzt.
»Herrenkinder sind wohlgestalter, kräftiger, sie lernen besser und sind eher zu großen Taten fähig als die Kinder von Bauern, auch wenn sie freigeboren sind.«
»Ach, wirklich? Dann wurde da offenkundig ein Fehler gemacht. Rein zufällig wurde Mylord ein Schwächling geboren, und das schöne, kräftige Kind, das war auch ein Fehler. Wie merkwürdig von Gott, daß Er gleich zwei Fehler beging! Dann haben wir ja nichts weiter getan, als etwas richtiggestellt, was offenkundig in Seinem Sinne war. So wurde am Ende gar keine Sünde begangen, und Ihr müßt Euch entschuldigen.«
»Ha, verschlagenes Weib! Und vermutlich kommt Ihr mir auch noch damit, Gottes Wille sei dadurch bewiesen, daß man Euch nicht erwischt hat!«
»Ihr habt's erfaßt«, sagte Margaret. »Aber wollt Ihr denn nicht erfahren, wie alles endete?«
»Ich denke schon«, knurrte Bruder Gregory. »Wenn ich nicht so neugierig wäre, würde ich sagen, jene Priester da, die es ablehnten, das Buch für Euch zu schreiben, die waren klüger als ich. Die hatten zumindest begriffen, daß man sich mit Frauen, die auf etwas so Ausgefallenem wie Schreiben erpicht sind, nur Ärger einhandelt. Und durch Eure Geschichte habt Ihr mich jetzt zum Mitwisser Eurer Sünde gemacht, und das habt Ihr vorher gewußt.« Stirnrunzelnd griff er zur Feder und spitzte sie mit seinem Messer an.
»Dennoch«, sagte er, »laßt uns fortfahren.«
Ihr werdet Euch erinnern, daß ich Mutter Hilde heimlich gefolgt war, aber jetzt ging mir auf, daß ich in einer bösen Klemme steckte. Ich hatte sie verraten und ihr furchtbares Geheimnis entdeckt, und das kam jetzt bestimmt heraus. Denn ich hatte kein Licht mitgenommen und mußte ihrer Kerze folgen, wollte ich wieder hinausgelangen. Doch wo an der Tür gab es ein Versteck für mich, wenn sie den Raum verließ? Gewiß würde sie mich sehen und mich für meinen Verrat verstoßen!
Ehe ich mir einen Plan ausdenken konnte, hörte ich schwere Schritte auf dem Gang, und als ich mich umdrehte, erblickte ich den Wachtmeister, der sich halb angezogen, das Schwert in der einen und eine Fackel in der anderen Hand, näherte.
»Mir war doch, als ob ein Licht vorbeigehuscht wäre«, polterte er. »Sich an Soldaten vorbeischleichen zu wollen, das klappt nicht.« Er sah näher hin und machte in der Dunkelheit meine Gestalt aus.
»Wer da? Die kleine Wehmutter! Ist die große drinnen! Ihr seid mir ein paar Närrinnen, daß Ihr Euch ohne Begleitung zurückwagt! Wie geht es Belotte?«
Rasch und unbekümmert, so als wäre nichts geschehen, kam von drinnen Hildes Stimme:
»Die Jungfrau Maria vergelt Euch Eure Mühe! Wir brauchen Eure Hilfe, Master Watt, denn Belotte ist in der Nacht am Kindbettfieber gestorben und hat das kleine Würmchen mitgenommen.«
»Ist wohl auch besser so«, sagte er barsch. »Es wird verteufelt schwierig für mich
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