Die Stimme
für unaufrichtig und seicht – ein ständiges Ärgernis wie Flöhe und von Gott als Strafe gesandt. Und das brachte ihn nur noch mehr auf.
Zudem bemerkte er, daß Margaret kein Fleisch nahm, obwohl keine Fastenzeit war. Äußerst ärgerlich, daß es ihr gelang, mit ihrer Enthaltsamkeit zu protzen, wo ihm der Magen bis in die Kniekehlen hing. Und er hatte sich schon eingebildet gehabt, daß sie sich nicht zu solchen Höhen der Heuchelei versteigen könne. Und als er das Tischgebet gesprochen hatte, bemerkte er, daß diese widerlichen, kleinen Rotschöpfe ihre wahre Natur so gut verstellen konnten, daß sie ein fromm gemurmeltes ›Amen‹ zustandebrachten. Im Verlauf des Abendessens stellte er fest, daß sie an den Lippen ihres Vaters nur so hingen. Mit großen Augen fragten sie dann wohl:
»Und was dann, Papa?« und Kendall blähte sich unter ihren bewundernden Blicken auf wie ein Frosch.
O, sein Ärger wuchs noch, und teilweise war es Ärger auf sich selbst, denn er hatte sich durch die Neugier hierher locken lassen. Natürlich war das allein seine Schuld, schließlich hätte er von vornherein wissen können, wie es laufen würde. Er spürte, wie ihm das Blut zu Kopfe stieg und seine Höflichkeit bissiger wurde.
Während Bruder Gregory innerlich kochte, betrachtete ihn Roger Kendall in aller Ruhe. Kendall wäre nicht so reich geworden, wenn er nicht auch auf Kleinigkeiten geachtet hätte. Die meisten dieser Habenichtse von Klerikern, die Margaret zum Essen einlud, irritierten ihn mit ihren ungehörigen, plebejischen Tischmanieren aufs Höchste. Da war beispielsweise jener Augustinermönch, der die Hände bis zum Knöchel in die Soße tunkte und entschieden zu häufig in die Binsen spuckte, oder schlimmer noch, der abscheuliche Franziskaner, der sich das Fleisch aufs Messer spießte und damit im Salztopf herumfuhrwerkte und mit fettigen Lippen aus dem Weinkelch trank. Ein komischer Vogel, dieser Bruder Gregory. Er schnitt sich die zweite Portion Braten so zierlich und präzise wie ein aufwartender Schildknappe ab, und während er redete, nahm er sich mit einer unbewußt anmutigen Geste mit der sauberen Messerspitze ein paar Körnchen Salz aus dem Salzfaß. Merkwürdig, ein Mann, dem die Kleider fast vom Leibe fielen, und dabei die Manieren eines Höflings.
»Bruder Gregory, Ihr habt ein kräftiges Handgelenk. Dergleichen bekommt man nicht vom Federführen, würde ich sagen«, bohrte Roger Kendall.
»Master Kendall, Ihr beobachtet gut. Ehe ich der Welt entsagte, war ich Soldat. Doch man könnte meinen, daß auch Euer Handgelenk zu muskulös für einen Mann ist, der sein Leben im Kontor mit Geldzählen verbracht hat.«
»Ein Mann muß erst einmal zu Geld kommen, ehe er es zählen kann. Ja, in meinen Jugendjahren wußte ich das Kurzschwert gar furchtbar zu führen. Ich habe so manchen Piraten und Räuberhauptmann über die Klinge springen lassen! Weder zu Lande noch zur See ist es dieser Tage ein leichtes, Güter aus dem Ausland heimzubringen. Aber erzählt uns zunächst Eure Geschichte, dann bin ich mit meiner an der Reihe.«
Der Wein bewirkte, daß sich Bruder Gregorys Sicht der Dinge nach und nach wandelte. Da kamen ihm doch direkt wehmütige Erinnerungen. Er gab eine Geschichte aus seiner Soldatenzeit in Frankreich zum besten, wo er als Schildknappe im großen Heer unter dem Herzog von Lancaster gedient hatte. Kendall lächelte insgeheim, so als ob sich damit seine Vermutungen bestätigt hätten und erzählte seinerseits eine Geschichte, ein Abenteuer unter Sarazenen, und beschrieb in allen Einzelheiten die Besonderheiten des Fechtens mit dem Krummsäbel.
»Er ist nämlich leichter, und die Klinge ist schärfer – ja, man kann damit ein Haar spalten!«
»Ein Haar? Jetzt übertreibt Ihr aber, Master Kendall.«
»Ha, ja, ein Haar. Da, ich zeig's Euch mit dem Messer, das ich bei mir trage. Es ist ein sarazenisches und hat den gleichen Schliff.« Feierlich zupfte sich Kendall ein graues Haar aus dem Bart und hielt es an die Klinge. Er versuchte es und murrte sodann:
»Ach, das Alter! Ich kann das Haar nicht mehr richtig sehen. Probiert Ihr es für mich.« Und er bot Bruder Gregory beides an, Haar und Messer.
Dunkel schimmerte die Schneide in Bruder Gregorys Hand. Aufmerksam studierte er die kunstvollen Gold- und Emailleeinlagen auf dem Griff, der zudem mit kostbaren Steinen besetzt war.
»Hmm. Ja. Aha, geschafft. Das Haar ist gespalten!« Bruder Gregory hielt es hoch, damit die Gesellschaft es bewundern
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