Die Stimme
konnte.
Seine Hand glitt über die verschlungenen Ziselierungen auf dem Messergriff.
»Sagt, ist das Schrift?«
»Ja, Arabisch.«
»Was bedeutet es?«
»Allah ist groß.«
Bruder Gregory legte das Messer hin, als wäre es eine Schlange.
»Ihr habt auf Eurem Messer einen heidnischen Spruch? Der einen falschen Gott preist?« Bruder Gregory war entgeistert.
»Nein, mein Freund, das ist eine Feststellung, die unseren Gott preist, welcher der Gott des Himmels und der Erden ist. Andere Dinge mögen sie falsch verstehen, doch sie wissen von Gott. Ich habe mich auf dieser Welt an Orten aufgehalten, wo es weitaus schlimmer zugeht als dort.«
Bruder Gregory schauderte es.
»Ohne den christlichen Glauben kann man kein vor Gott gerechtes Leben führen. Ihr seid an gefahrvollen Orten gewesen, wo Eure Seele auf ewig hätte Schaden nehmen können.«
»Keine Angst, mein Freund, um meine Seele ist es so gut oder so schlecht bestellt wie bei allen hier im Lande. Ich gehe regelmäßig zur Beichte und habe einen Votivaltar gestiftet, wo ständig Messen für Kaufleute gelesen werden, die im Ausland ohne die letzten Tröstungen der Mutter Kirche gestorben sind.«
Margaret nickte und sagte bestimmt:
»Mein Mann ist sehr gottesfürchtig, Bruder Gregory, sehr gottesfürchtig!«
»Und doch«, fuhr Kendall fort, »erhebe ich Einwendungen gegen das, was Ihr sagt. So wie Ihr argumentiert, hätte keiner der alten Griechen und Römer vor der irdischen Fleischwerdung Unseres Herrn ein vor Gott gerechtes Leben führen können. Oder meint Ihr etwa nicht, daß Sokrates nach landläufigen Maßstäben ein gerechter Mann war? Oder Lucretia eine tugendreiche Frau? Doch da sie Christum nicht kannten, müßten ihre Seelen mithin verdammt sein?«
Ein Disput! Was auf Erden gefiel Bruder Gregory besser? In seinen dunklen Augen funkelte es in Vorfreude auf den Wettstreit. Kendall lehnte sich mit einem Lächeln auf seinem Stuhl zurück, denn er liebte es, seinen scharfen Verstand zu erproben, und was ihm an Theologie fehlen mochte, das machte er durch prächtige Beispiele aus dem Ausland wett, über die er viel nachgedacht hatte. Nach beendigtem Abendessen verlegte man den Disput ins Gartenzimmer. Die Kerzen waren schon fast gänzlich heruntergebrannt, als eine erschöpfte Margaret sich entschuldigte und sich mit der Kinderfrau darin teilte, die beiden schlafenden Kinder ins Bett zu tragen. Die hatten sich nicht einmal gerührt, als man sie von den Kissen in der Fensternische hochhob.
Als sie das Zimmer verließ, hörte sie, wie Bruder Gregory entschieden feststellte: »Aquinas zufolge…« und Kendalls Stimme erwiderte darauf herausfordernd: »Doch die Brahmanen, welche eine sechsarmige Gottheit anbeten, leben so vollendet tugendhaft, daß…«
»Gar nicht gut, gar nicht gut für seine Gicht«, sagte Margaret bei sich.
Kapitel 6
A ls Bruder Gregory am darauf folgenden Freitag kam, um Leseunterricht zu geben, war Margaret in der Küche beschäftigt; sie schnupperte an Fisch herum, den man ihr vom Markt gebracht hatte.
»Der Junge hat gesagt, er ist fangfrisch von heute morgen«, versicherte ihr die Köchin.
»Gestern abend dürfte eher zutreffen.« Ihre Stimme klang argwöhnisch. Nicht etwa daß sie der Köchin oder dem Jungen mißtraut hätte, sie kannte nur gewisse Fischhändler von Billingsgate zu gut. Einigen war es zuzutrauen, daß sie ein Maß Fisch ›verschönten‹, indem sie frische auf die alten legten, und so mußte man den ganzen Korb sorgfältig durchgehen, wollte man sichergehen, daß man nicht das ganze Haus vergiftete.
»Dieser hier und der da unten im Korb müssen weg«, verkündete sie und legte die beanstandeten Fische beiseite. »Die anderen gehen, aber nur in einer pikanten Soße. Und ich weiß nicht einmal recht, ob die nun wirklich frisch sind. Ist das Korn aufgesetzt?« Sie spähte in einen Topf, in dem es siedete. Du liebe Zeit, dachte sie bei sich. Es hat just angefangen zu kochen, und dabei braucht es so lange, bis es platzt. Hoffentlich ist es rechtzeitig gar. Dann machte sie einen Bogen um die Köchin, deren breite Gestalt über das Hackbrett gebeugt stand, desgleichen um den kleinen Jungen, der die Messer schärfte, denn sie wollte die Gewürzkästchen auf dem Küchenregal aufschließen und deren Inhalt überprüfen. Als der beißende Duft von Pfeffer und Nelken sich mit den Gerüchen von den Hantierungen der Köchin vermischte, verspürte Margaret ein köstliches Kitzeln in der Nase, das ihr durch und durch
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