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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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während auf dem Dachboden über seinem Kopf zwei bezopfte Mädchen versuchten, ihre Angst zum Schweigen zu bringen, damit kein Schüler zu Hause in aller Unschuld berichten konnte, daß die Ratten und Mäuse auf dem Dachboden der Schule niesten wie Mädchen mit angstvollen Augen und blonden Zöpfen.
    Doch das erfuhr Serrallac nie, denn wenn er nicht gerade von der Weltkarte träumte, half er seinem Vater, denStein mit dem Spitzhammer zu bearbeiten, und bewunderte Ventureta – der damals noch am Leben war –, weil dieser es in gerade mal fünf Viertelstunden zum Coma Alta und zurück schaffte. Aber jetzt war die Glühbirne nicht etwa erloschen, weil ein bedrängter Lehrer sie herausdrehte, wenn es nötig war, sondern weil der Bürgermeister ein Versager war, der ein gutes Gehalt kassierte, wenig Arbeit hatte, die er auch noch schlecht erledigte, und niemand sich über ihn beschwerte. Jaume beneidete ihn, weil er ein Beamtengehalt bezog, während ihm das Wasser bis zum Hals stand, der Lastwagen noch nicht abbezahlt und jetzt überdies die Nockenwelle gebrochen war, weil er sich in den Kopf gesetzt hatte, mit voller Ladung den teuflischen Weg nach Pujalt hinaufzufahren.
    Er hatte gerade seine Zigarettenkippe auf den Boden geworfen, da ging die Tür von Casa Gravat auf, und er blieb im Schutze der Dunkelheit still auf der Steinbank sitzen und beobachtete, wie eine weibliche Silhouette herauskam, die etwas Dunkles in der Hand trug. Es war Senyora Elisenda mit einem Bündel Kleider. Sie warf es in eine Pfütze an der Wand, wo es sich sofort mit Schlamm vollsog. Senyora Elisenda ging wieder hinein und schloß die Tür, und Jaume Serrallac sagte sich, daß es besser sei, sich nicht von der Stelle zu rühren, weil das sicher noch nicht alles gewesen war. Und tatsächlich öffnete sich die Tür von Casa Gravat erneut, und eine bleiche Gestalt kam heraus, ein nackter, barfüßiger Mann, der leise fluchte, als ihn die Kälte traf, denn Ende April sind die Nächte in Torena noch empfindlich frisch. Er nahm die tropfnasse Kleidung, schlüpfte rasch in die Unterhose, die dunkel vom Schlamm war, und wühlte wütend in dem Kleiderbündel. Wieder ging die Tür auf, und ein Arm schleuderte ein Paar Schuhe in die Mitte des Platzes, wo sie mit einem hohlen Geräusch aufschlugen. Die Tür ging zu, und der Mann fluchte lauter, beeilte sich aber, die Schuhe aufzuheben. Jetzt konnte Jaume Serrallac sein Gesicht erkennen: Es war der Pistenhengst, der angeblich bei jungenMädchen aus Barcelona großen Erfolg hatte. Dieser Hohlkopf und Senyora Elisenda? Na so was. Und in Casa Gravat.Teufel auch.Was für ein Gespann, Senyora Elisenda, die Unnahbare, und der Wichtigtuer mit der Sonnenbrille.
    Jaume Serrallac drückte sich reglos an die Wand seines Hauses, damit der andere ihn nicht bemerkte. Das ärgerte ihn, denn wenn hier jemand etwas zu verbergen hatte, dann dieser verfluchte Skilehrer und nicht er, der auf der Steinbank seines Hauses eine letzte Zigarette rauchte, während seine Frau und seine Tochter schon schliefen.Trotzdem tat er keinen Mucks, denn in Torena hatte man vor Jahren gelernt, daß man sich von denen von Casa Gravat besser fernhielt. Der Skilehrer und Senyora Elisenda. Ein starkes Stück. Senyora Elisenda, diese Heimlichtuerin, die das halbe Gemeindeland aufgekauft und dann wiederverkauft hat, für ein Vermögen, wie es heißt, und die immer um die Pfarrer und den Bischof von La Seu herumscharwenzelt, läßt sich von einem Skilehrer flachlegen.
    »Das glaub ich nicht.«
    »Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen. Mit nacktem Hintern mitten auf dem Platz.«
    »Unmöglich. Senyora Vilabrú …«
    »Senyora Vilabrú hat Beine wie jeder Mensch. Und wer Beine hat, hat auch was dazwischen«, erklärte Jaume Serrallac kategorisch, während er bei Rendé mit diesem Halunken von der Versicherung, der sich rundheraus weigerte, zu akzeptieren, daß ein Bruch der Nockenwelle ein Unfall und keine Panne war, einen Kaffee mit Schuß trank.
    »Ich weiß es aus erster Hand: Einer, der direkt gegenüber wohnt, hat es mir geschworen, einer, der Grabsteine und andere Sachen aus Stein macht.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch: Senyora Elisenda vögelt junge Kerle und läßt sie nackt durchs Dorf laufen.«
    »Wie bei einer Orgie?«
    »Weiß ich nicht. Ich erzähl dir nur, was dieser Typ mirerzählt hat. Ich war doch noch nie in Torena: Ich verkaufe Versicherungen, was soll ich in Torena.«
    »Ja, aber was du da sagst, ist ein ziemlich starkes

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