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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Stück.«
    »Der, der’s mir erzählt hat, wohnt direkt gegenüber. Also, ich für mein Teil …«
    »Orgien im Dorf, Herr Delegat.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Lassen Sie es untersuchen.«
    »Sie haben mir nicht zu sagen, was ich tun soll. Da will ihr jemand schaden. Diese Frau ist sehr, sehr …«
    »Ich habe Ihnen nur erzählt, was ich aus sicherer Quelle weiß. Aus erster Hand.«
    »Als Delegat sehe ich mich verpflichtet, Sie zu bitten, daß Sie die Untersuchung einleiten.«
    »Wenn es so schwerwiegend ist, wie behauptet wird …« Er klopfte sorgenvoll mit dem Bleistift auf den Schreibtisch.
    »Ich bin sicher, daß es sich um eine Übertreibung handelt. Irgend jemand will sie ruinieren. Bei der Untersuchung wird sich alles zeigen, Senyor.«
    »Veranlassen Sie Ihrerseits alles Nötige. Diskretion, Klugheit, Zurückhaltung,Takt und Umsicht, Herr Delegat.«
    Senyora Elisenda schloß die Tür und lehnte sich dagegen, wie um die Gerüchte auszuschließen, die von diesem Augenblick an umherschwirren würden. Sie hörte Quique unterdrückt fluchen, dann dröhnten die ersten Schläge. »Wenn ich dir’s doch sag, er hatte die Hosen noch nicht richtig hochgezogen, da hat er angefangen, mit einem Schuh an die Tür von Casa Gravat zu schlagen, mitten in der Stille, und er hat gerufen, mach auf, oder es wird dir noch leid tun, und kurz bevor die ersten Lichter in den Häusern rund um den Platz angingen, hat Senyora Elisenda die Tür aufgemacht und hat Quique an den Haaren reingezogen. Und dann hab ich nichts mehr gesehen, obwohl ich noch eine ganz Weile gewartet hab, aber es war so, wie ich’s gesagt hab, und wenn’s nicht stimmt, will ich tot umfallen.«
    »Jetzt hör mir mal zu.« Quique hatte noch immer die Schuhe in der Hand; er keuchte vor Wut. Ohne sich umzudrehen, sagte Elisenda: »Danke, Carmina, du kannst schlafen gehen, es ist alles in Ordnung.«
    »Es ist nur … da ist ein Anruf, Senyora.«
    »Um diese Uhrzeit?«
    »Er hat gesagt, es ist wichtig.«
    »Danke, ich komme gleich.«
    »Was? Was soll ich hören?« Quique zog sich an und wischte sich zornig den Schlamm vom Hemd.
    »Ich wiederhole mich nicht gern.Wenn du irgend jemandem von uns beiden erzählst, lasse ich dich umbringen. Ich meine es ernst.«
    »Huch, da hab ich aber Angst!«
    »Versuch’s nur. Ich habe die Mittel dazu.«
    »Senyora, die haben gesagt …«
    »Danke, Carmina.« Sie hatte sich immer noch nicht umgewandt. »Ich habe gesagt, du kannst schlafen gehen.«
    Als Quique angezogen war, öffnete Senyora Elisenda wieder die Tür, und im Hinausgehen spuckte Quique hilflos auf den Boden, sah sie an und sagte: »Ich hab’s deinem Söhnchen besorgt, und es hat ihm gefallen. Er ist eine rettungslose Schwuchtel.Wenn du’s genauer wissen willst, ruf mich an.«
    Senyora Elisenda schloß die Tür hinter ihrer Affäre mit Quique, und als sie sich umdrehte, sah sie eine verängstigte Carmina im Nachthemd an der Tür zum Korridor stehen. Auf dem Weg zum Wohnzimmer sagte sie, ohne sie anzusehen: »Carmina, gleich morgen früh packst du deine Koffer und gehst.«
    »Aber …«
    »Das Geld wird hier für dich bereitliegen.«
    »Senyora, ich …«
    Doch Senyora Elisenda war schon im Wohnzimmer und griff nach dem Hörer des Telefons, das auf dem Kaminsims stand.
    »Bitte.«
    »Senyora Vilabrú?«
    »Das bin ich.«
    »Ihr Onkel.«
    »Was ist mit ihm?«
    Der Leiter des Altersheims erklärte, er bedauere sehr, ihr mitteilen zu müssen, daß es diesmal ernst zu sein scheine. Der arme Mann hatte wieder einen Schlaganfall erlitten. Er war halbseitig gelähmt und regte sich nicht und …
    »Was sagt der Arzt?«
    »Daß es sehr ernst um ihn steht, Senyora.«
    »Gut. In einer Stunde bin ich im Altersheim.«
    »Nein.Wir haben ihn ins Krankenhaus gebracht, und …«
    »Ich habe gesagt, in einer Stunde bin ich im Altersheim.«
    Sie fuhr selbst, allein, so konnte sie ihren Wuttränen freien Lauf lassen, durfte Schwäche zeigen, sich Luft machen, im Auto schreien, während sie den Paß von Cantó hinauffuhr. Als sie am Altersheim ankam, das neben dem Bischofspalast lag, wartete bereits Hochwürden Llavaria auf sie. Er war besorgt.
    »Sie haben ihm gerade die Letzte Ölung verabreicht. Er wird diese Nacht nicht überleben.« Er blickte rasch zu dem Gebäude hinüber: »Aber … er ist im Krankenhaus.«
    Gefolgt vom Leiter des Hauses, ging Senyora Elisenda zu Onkel Augusts Zimmer hinauf. Dort angelangt, drehte sie sich um und sagte kühl: »Hochwürden, ich wäre gerne

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