Die Stimmen des Flusses
Stimme des Funkers der Dritten Brigade: »Bereit für die Verbindung, Jott-fünf.«
»Was ist das?« fragte sie entsetzt.
Dann sah ich den großen Betrug, die Pritschen, die schmutzigen Decken, einen Kerosinherd, ein Funkgerät, das piepste und eine Art fernes Wolfsgeheul von sich gab und sagte, »Jott-fünf, Jott-fünf, bitte melden«, und mein nichtswürdiger Liebster mit den schmutzigen kommunistischenund anarchistischen Händen zielte auf mich und sah mich erschrocken und, wie mir schien, beschämt an, brachte aber nur hervor: »Wie bist du hier hereingekommen?«
Das waren seine letzten Worte an mich. Wie bist du hier hereingekommen, wer hat dir erlaubt, dich in mein Leben und meinen Verrat zu mischen? Und ich schleuderte ihm erschreckt und empört entgegen, »Mit der Liebe, die Sonne und Sterne bewegt«, in bitterer Anklage gegen die vielen schönen Worte, mit denen er mich eingewickelt hatte, seine Augen, seine Hände. Mein Gott.
»Warum schießt du nicht?« Erst jetzt merkte Oriol, daß er immer noch auf sie zielte. Er ließ die Waffe sinken und legte sie neben das Funkgerät. Elisenda war so überrascht, daß sie nichts weiter sagen konnte als: »Aber ich liebe dich doch, Oriol, warum tust du mir das an?«
Dann lief ich davon, erbittert, gedemütigt, verwirrt, und auf dem Weg nach Hause weinte ich. Wäre ich doch nicht aus dem Haus gegangen, beunruhigt von seinem stummen, flehenden Blick!
Es war eine schmerzliche Nacht. Ich konnte mich nicht mit dem Verrat des Mannes abfinden, dem ich mich bedingungslos anvertraut hatte. In dieser Nacht fühlte ich, wie mir das Herz brach angesichts der Bosheit dieses Mannes, der die Erinnerung an meinen Bruder und meinen Vater verraten hatte, indem er in mein Haus gekommen war und zugelassen hatte, daß ich ihm Modell saß und ihn bis zum Wahnsinn liebte.
Niemals im Laufe ihres langen Lebens würde Elisenda Vilabrú wieder von so heftigen Zweifeln geplagt werden, wäre innerlich so zerrissen wie in jener leidvollen Nacht. Was für eine entsetzliche Qual.
64
Immer wenn er ein Wochenende am Strand verbringen wollte, holte Senyor Marcel Vilabrú den Geländewagen aus der Garage in Pau Claris und jagte ihn über die Autobahn, während er über die Freisprechanlage mit Carmina Geschäftliches besprach. Allerdings war es noch nie vorgekommen, daß sich eine unbekannte Frau auf den Beifahrersitz zwängte, kaum daß er die Tür geöffnet hatte. Bei ihrem Anblick gingen ihm verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf. Zuerst dachte er an die ETA oder die GRAPO, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder, denn in diesem Fall läge er schon im Kofferraum eines Wagens, eine Kapuze über dem Kopf, und würde die Stöße zählen, um der Polizei davon berichten zu können, wenn sie auf seine Befreiung anstießen und er über das Lösegeld klagte.Vor allem aber war er wütend, denn schließlich zahlte er Monat für Monat Unsummen für seine persönliche Sicherheit, und nun stieg diese Frau so mir nichts, dir nichts in seinen Wagen. Sicher suchten ihn seine beiden Bodyguards im Büro und hatten sich diese Stöpsel ins Ohr gesteckt, um wichtiger auszusehen und ihm fünfhundert Euro monatlich mehr auf die Rechnung setzen zu können. All dies ging ihm durch den Kopf, obwohl er auf dem Weg zum Auto darüber nachgedacht hatte, wie er Barça die Exklusivrechte zur kompletten Ausstattung der Mannschaft abschwatzen könnte, mit einem Vertrag, der diese Pfuscher von Nike zum Teufel jagen würde.
»Was machen Sie denn hier?«
Die Frau war mollig und hatte hübsche, lebhafte Augen. Sicher war sie gut im Bett. Und sie hatte diese undefinierbare, halb fatalistische, halb demütige Haltung starrköpfiger Menschen.
»Ich muß Ihnen etwas erzählen.«
»Steigen Sie sofort aus meinem Wagen, oder ich rufe den Sicherheitsdienst.«
»Ihre Sicherheitsleute kommen wahrscheinlich gerade die Rampe herunter; sie haben Sie wohl aus den Augen verloren.«
»Und woher wissen Sie …«
»Wenn man fünf Stunden an der Rezeption von Brusport warten muß, erfährt man so einiges.«
Eine entlassene Mitarbeiterin. Die Frau eines entlassenen Arbeiters. Eine von diesen Scheißgewerkschafterinnen. Eine ehemalige Angestellte, die mich wegen dieses verdammten Gummis verklagen will, der Asthma verursacht.
»Wenn Sie mit mir reden wollen, hätten Sie sich an der Rezeption einen Termin geben lassen müssen.«
»Unmöglich. Sie sind sehr gut abgeschirmt, Senyor Vilabrú.«
»Was wollen Sie?« Er versuchte,
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