Die Stimmen des Flusses
Soldaten.«
»Der Schuß war überall zu hören. Bald wird ein Lastwagen hier sein. Sie sind sicher in Borén oder sogar noch näher.«
»Dann sollten wir die Gelegenheit nutzen.«
»Und die Brücke?«
»Um die sollen sich die drei Feuerwerker kümmern. Sie werden in Ruhe arbeiten können, das garantiere ich dir.« Er wandte sich an die anderen Männer: »Verteilt euch und bereitet die Granaten vor.« Und fürsorglich flüsterte er dem ganzen Trupp noch zu: »Vorsicht mit dem Kreuzfeuer.«
Es war nicht ein Lastwagen, es waren drei, vollbesetzt mit Soldaten, was bewies, daß oberhalb von Esterri Truppen stationiert waren. Sie, die den ganzen Nachmittag in Scheunen auf den Einbruch der Dunkelheit gewartet hatten, hatten nichts davon bemerkt. Langsam kamen die Lastwagen näher, hintereinander wie eine Prozession; ihre Scheinwerfer erhellten schwach das schmale Band der Landstraße, und auf der Kabine des ersten Fahrzeugs war ein Maschinengewehr montiert, das starr in Richtung Norden zeigte, auf den unsichtbaren Feind. Der Kommandant verfluchte den verdammten Maquis. Wenn sie mich machen ließen, wäre das Ganze an einem Tag vorbei.
Leutnant Marcó ließ den ersten Lastwagen passieren. Seine Männer waren nervös, denn sie erwartete kein einfacher Hinterhalt mit anschließender Flucht, sondern Kampf auf Leben und Tod, und mehr als einer von ihnen dachte, was mache ich hier bloß, ich komme hier noch um vor Angst, Kälte und Tod. Aus den Augenwinkeln beobachteten sie den Leutnant, der seine schwarzglänzenden Augen auf dieLandstraße gerichtet hielt, während der zweite Lastwagen vorbeifuhr, dicht gefolgt vom dritten. Dann gab er ein Zeichen, und fünf Granaten schlugen in den Aufbau des dritten Lastwagens ein, zwei weitere in die Fahrerkabine. Im nächsten Augenblick erfüllten Explosionen, Schreie, Flammen und Flüche die Nacht mit Schmerz, und der Lastwagen stellte sich auf der Straße quer, so daß die anderen beiden nicht zurückkonnten, als stünde der Fahrer, dem die Granate beide Arme abgerissen hatte, im Dienst des Maquis.
Auf Befehl Leutnant Marcós eröffneten die beiden Maschinengewehrschützen am Straßenrand das Feuer auf die Lastwagen. Die Soldaten sprangen heraus, aber so sehr sie sich auch in den weißen Schnee zu retten versuchten, sie liefen direkt in den Tod, weil sie nicht verstanden, daß eines der Prinzipien eines Hinterhalts darin besteht, seine eigenen Bewegungen so zu kalkulieren, daß man die Bewegungen des Feindes vorhersieht und lenkt, so daß man schließlich selbst überrascht ist, wie genau er die Schritte tut, zu denen man ihn bewegen will. Und so gewinnen wir, weil wir, göttergleich, die Fäden in der Hand haben. Auch Aureli Camós aus Agramunt, der auf seiten der Republikaner am Ebro gekämpft hatte und bei seiner Rückkehr nach Hause von den Faschisten aufgegriffen worden war, dessen zwei Brüder im Exil lebten und der erst dreiundzwanzig war, sprang vom Lastwagen herab seinem Schicksal entgegen. Und der wütende Kommandant im ersten Wagen verstand erst zu spät, daß ihm das Maschinengewehr an der Spitze des Zuges nichts nutzte, denn wenn er nach hinten schoß, würde er seine eigenen Leute treffen, und so verfluchte er die Maquisards und lief im weißen Schnee in den Tod, wie es im Handbuch für Hinterhalte geschrieben steht.
Dreiundzwanzig Tote, zweiundfünfzig Männer auf der Flucht durch den Schnee, über die Böschungen, durch das eiskalte Wasser der Noguera in die Schmach. Achtzig Gewehre, zwei Maschinengewehre, drei große Munitionskisten, ein Funkgerät, hundert Granaten, ein blutbeflecktesSchweizer Armeemesser und der Stolz des franquistischen Heeres fielen dem Maquis bei diesem Hinterhalt in die Hände und wurden der Befreiungsarmee gegen den Faschismus einverleibt. Zwanzig Paar Stiefel wurden konfisziert. Eine Viertelstunde voller Schüsse, Schreie und Verwirrung unter dem eisigen Blick des Leutnants mit den kohlschwarzen Augen, zehn Minuten zum Einsammeln der Beute, und dann hatten sie alle Zeit der Welt, um zu verschwinden, hinauf zu den Sennhütten von Risé oder noch höher zum Pic de Pilàs, wo sie auf Schneeschuhen den Berggrat entlanggingen, bis sie im verräterischen Licht des Morgengrauens beim Montroig erschöpft die französische Grenzlinie erreichten. Aber nicht alle machten sich mit dem Gefühl, ihre Pflicht getan zu haben, auf den Weg in die Berge. Ein Spähtrupp blieb mit dem Leutnant bei der Höhle zurück, um die Reaktion des Feindes zu
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