Die Strafe des Seth
jemand, der die Möglichkeit haben würde, den Thron der Beiden Länder nach Ramses’ Tod zu besteigen. Ramose und Nacht schieden somit aus. Sie waren nur die Handlanger für jemand anderen.
Nebmaatres Magen begann zu rebellieren. Ihm wurde speiübel bei dem Gedanken, dass es jemand aus seiner Verwandtschaft gewagt haben könnte, sich gegen den Pharao zu stellen.
Seinen Vater Chaemwaset und seine Mutter Bakenwerel schloss er von vornherein aus. Dasselbe traf für seinen Onkel Prehi, den Bruder seines Vaters, und dessen Gemahlin zu. Auch Merenptah, der Bruder der Großen Königlichen Gemahlin, schied aus. Merenptah war Ramses stets treu ergeben gewesen. Nebmaatre konnte sich einfach nicht vorstellen, dass der Oberst der Getreuen hinter diesem Verrat stecken sollte. Blieben also nur noch die Kinder der Genannten und Sethherchepeschef.
Oder sollte etwa Nehi nach Höherem streben?
»Nein!«, rief er aus und verwarf sofort diesen abstrusen Gedanken. Der Wesir war über jeden Zweifel erhaben.
Wer also kam in Frage?
Nebmaatre durchdachte erneut alle Möglichkeiten und kam zu dem Schluss, dass er niemandem aus der königlichen Familie einen solchen Frevel zutrauen würde. Selbst Sethi, dem Ramses eine ganze Zeit misstraut und ihn deshalb unter Arrest gestellt hatte, mochte er solchen Verrat nicht unterstellen. Immerhin war er der Onkel des Pharaos. Als Sethis Vater, Ramses III., zu den Göttern gegangen war, hatte sich der junge Mann an seinen weitaus älteren Bruder, den späteren Ramses VI. und dessen Sohn geklammert und war beiden seitdem nicht von der Seite gewichen. Erst in den letzten Jahren hatte er endlich begonnen, ein eigenes Leben ohne seinen Neffen zu führen.
Es klopfte, und erschrocken fuhr Nebmaatre zusammen.
»Herein!«, befahl er matt.
»Hier ist die Abschrift, Hoheit.« Nebnefer reichte ihm eine Papyrusrolle, verneigte sich und verschwand wieder.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, entrollte Nebmaatre das Schriftstück und las erneut die ungeheuerliche Botschaft. Dann rief er nach einem Diener und befahl ihm, seinen Wagen anspannen zu lassen. Umgehend wollte er sich zum Obersten Richter von Heliopolis begeben, der als Verbindungsmann zwischen ihm und Nehi fungierte.
Zwei Tage später erschienen ein paar königliche Soldaten, um den Zweiten Propheten wegen Hochverrats festzunehmen und nach Per-Ramses ins Gefängnis zu bringen.
Nacht war entsetzt, und ihm schlotterten die Knie, als ihm gesagt wurde, weshalb man ihn verhaftete. Er empörte sich und bestritt jegliche Beteiligung an einem Komplott gegen den Pharao. Selbst Nebnefers Aussage und das belastende Schreiben stimmten ihn nicht um, seine Schuld einzugestehen und seine Mitverschwörer preiszugeben. Nacht wusste, dass er selbst ein Todesurteil nicht zu fürchten brauchte. Es musste vom Pharao bestätigt werden, bevor es vollstreckt werden durfte, und es herrschte Krieg. Ramses war weit weg, und wenn alles gut lief, würde er nicht mehr lebend aus diesem Kampf zurückkehren.
* * *
Nubchesbed war schon wieder im Begriff, die Partie Senet zu verlieren. Das vierte Mal in Folge. Ihre Dienerin gab sich zwar die größte Mühe, kleine Fehlerchen beim Setzen der Spielsteine zu machen, doch die Königsmutter konnte sich einfach nicht konzentrieren.
Immer wieder musste sie daran denken, dass man gegen ihren Sohn eine Intrige angezettelt hatte. Von Nehi wusste sie um das Schreiben, das die verbrecherischen Taten des zweiten Re-Propheten bewies. Von Ramses selbst hatte sie bereits Monate zuvor erfahren, dass er den Verdacht hegte, jemand würde sich gegen ihn stellen und versuche, ihm zu schaden. Nun war einer dieser Schurken gefasst, doch hatte er trotz Züchtigung geschwiegen und keinerlei Stellung zu seinem Verhalten bezogen. Auch hatte er nicht die Gründe oder mögliche Mitverschwörer preisgegeben.
»Majestät, du bist an der Reihe«, machte sie ihre Leibdienerin höflich aufmerksam.
Seufzend griff Nubchesbed nach den Zahlenstäbchen und drückte sie in ihrer rechten Hand, bevor sie die viereckigen, auf jeder Seite mit Strichen versehenen Holzstäbe warf.
»Zwei. – Drei. – Sieben, nein acht. – Zwölf!«, zählte die Dienerin.
Nubchesbed hörte ihr kaum zu. Beinahe schon mechanisch griff sie nach dem Spielstein mit dem Hundekopf und setzte ihn auf dem aus drei mal zehn Feldern bestehenden Spielbrett zwölf Felder weiter.
Wer mochte hinter all dem stecken? Wer besaß so viel Macht und Einfluss, dass er Männer
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