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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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zu geben, fuhr er fort: »Antworte mir, wenn ich dich etwas frage, oder ich habe genug gehört, um mir ein Urteil über dich bilden zu können!«
    »Ach ja?«, kam Nebnefers trotzige Antwort. »Wirst du mich jetzt den Medjai oder Pharaos oberstem Beamten melden?« Er lachte verächtlich auf. »Das ist mir, ehrlich gestanden, egal! Nesamun hat mein Leben zerstört, und Ramses ... – Ramses hat es ihm befohlen.« Ohne lange weiter nachzudenken, hob Nebnefer an zu erzählen. »Ich stamme aus ärmlichen Verhältnissen. Meine Mutter starb bei meiner Geburt, und mein Vater kam für den Ruhm Ramses V. ums Leben. Er war Steinhauer. Ein loser Felsbrocken stürzte herunter und begrub ihn und zwei weitere Männer unter sich. Ich war damals fünf Jahre alt, meine Schwester vierzehn. Sie hatte gerade geheiratet und war mit ihrem Gemahl nach Assuan gezogen, wo dieser in den Granitsteinbrüchen schuftete. Mich hingegen brachte man in den Tempel des Amun, wo ich zum Schreiber ausgebildet wurde, doch zu Reichtum habe ich es nie gebracht.
    Als meine Schwester vor sechs Jahren zu Osiris ging, wollte ich ihren Mann unterstützen, um ihr eine ordentliche Mumifizierung zu ermöglichen, doch mir fehlten die Mittel. Also nahm ich einen Ballen Leinen, der in den Werkstätten von Opet-sut gefertigt worden war. Zu jener Zeit war Nesamun noch der Zweite Prophet. Bei der Überprüfung der Lagerbestände bemerkte er meinen Diebstahl und meldete ihn seinem Vater, dem Hohepriester. Ramsesnacht ließ mich allerdings nicht bestrafen, wie es üblich gewesen wäre, sondern schrieb sofort eine Nachricht an den Wesir. Nehi veranlasste daraufhin, dass ich aus der Priesterschaft des Amun-Re ausgeschlossen wurde. Er meinte, dass Pharao einen Priester wie mich nicht gebrauchen könnte.« Nebnefers Augen funkelten böse. »Warum also sollte ich nicht behaupten, dass sie allesamt Ramses in den Hintern krauchen?«
    Gedankenversunken blickte Nacht zu Nebnefer, der mit geballten Fäusten vor ihm stand. »Was hast du getan, nachdem du des Amun-Tempels verwiesen wurdest?«
    »Ich habe in diesem und jenem Dorf als Schreiber gearbeitet, bis mich auch dort meine Vergangenheit eingeholt hatte. Und nun bin ich hier und wollte im Tempel des Re mein Glück versuchen.« Trotzig blickte Nebnefer hinauf zu den kleinen vergitterten Fenstern, die sich unterhalb der Decke befanden und wenig Sonnenlicht, dafür aber etwas Kühle in das geräumige Arbeitszimmer des Zweiten Propheten ließen.
    Grübelnd trommelte Nacht mit den Fingern auf die Platte seines Arbeitstischs. »Ich glaube, die Götter haben es nicht sehr gut mit dir gemeint.«
    Betont mitfühlend sah er zu dem Schreiber, der sich vielleicht als nützlich erweisen konnte. Pharaos Beamte und Priester hatten ihm übel mitgespielt. Sein Hass auf sie schien grenzenlos zu sein und würde es ihm sicher leicht machen, ihn für Sethherchepeschefs Sache zu gewinnen.
    »Vielleicht sollte ich dir eine Chance geben«, sagte er. »Nutze sie und versuche, ein neues Leben zu beginnen. Bist du dazu bereit?«
    Ungläubig sah Nebnefer wieder zu Nacht. »Du willst mich im Tempel als Schreiber anstellen, obwohl dir bekannt ist, was ich getan habe?«
    Nacht nickte. »Ich will dir ein neues Leben geben.«
    »Danke, Hoher Herr.« Nebnefer strahlte übers ganze Gesicht.
    »Melde dich morgen früh bei meinem Haushofmeister. Er wird dir alles sagen und zeigen, denn ich werde dich in meine persönlichen Dienste stellen.«
    Überglücklich riss Nebnefer die Augen auf, bedankte sich und verschwand unter mehrmaligem Verneigen.
    Nacht hingegen rief nach einem ihm treu ergebenen Wächter und befahl ihm, Nebnefer unauffällig zu folgen und nicht aus den Augen zu lassen. Seitdem Ramses und Nehi ihre Nachforschungen im Tempel angestellt hatten, war der Zweite Prophet vorsichtiger geworden. Er wollte in keine Falle tappen.
    Er verfasste eigenhändige eine Botschaft an seinen Amtskollegen in Theben, in der er sich über Nebnefer erkundigte. Als er gut einen Monat später Amenophis’ Antwort in Händen hielt, war er sich sicher, dass dieser Schreiber die Wahrheit gesprochen hatte, denn der Zweite Prophet des Amun-Re ließ in seinem Schreiben kein gutes Haar an ihm. Er bezeichnete Nebnefer als widerspenstig, vorlaut und ungehorsam, doch das Schlimmste war, er bezeichnete ihn als Dieb, der sich am Eigentum des Gottes vergriffen hatte.
    Nacht war zufrieden. Dieser Mann war genau der Richtige für seine Zwecke. Anscheinend besaß er keinerlei Skrupel und

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