Die Strafe des Seth
war.
Meritusir und Amunhotep standen derweil eng umschlungen und küssten sich. Sie schienen die Menschen um sich herum vergessen zu haben, doch schon bald löste sich die Priesterin aus den Armen ihres Gemahls und sah hoch zum Himmel, der sich mit dicken schwarzen Wolken zu verdunkeln begann. Blitze zuckten, und ohrenbetäubender Donner folgte. Die eben noch ausgelassen feiernden Krieger blickten verängstigt nach oben und umfassten ihre Amulette, die sie um den Hals trugen.
»Seth grollt uns!«, riefen sie verstört aus und begannen, Gebete zu murmeln.
»Er hat sich gegen uns gewandt«, waren andere Rufe zu vernehmen, doch Meritusir widersprach diesen Annahmen.
»Der Große Gott Seth wird uns helfen, die Flammen zu löschen«, wisperte sie in Amunhoteps Ohr und schmiegte sich in seine Arme. »Er hat mir den Weg gezeigt, wie wir Kemi beschützen können, und er sorgt auch dafür, dass das Land keinen Schaden nimmt.«
Ein riesiger Blitz zerteilte den Himmel, es donnerte grollend, und dann begann es zu regnen, wie es seit Menschengedenken nicht mehr im Delta geregnet hatte. Die Tropfen prasselte nieder. In kurzer Zeit waren alle bis auf die Haut durchnässt. Der Boden wurde schlammig und der brennende Flusslauf gelöscht.
Allmählich begriffen auch die Soldaten, dass Seth ihnen nicht Angst einjagen oder sie bestrafen wollte. Sie verstanden, dass diese gefürchtete Gottheit ihnen helfen wollte – Seth, der Gott des Chaos, der Schrecken verbreitete, der aber auch als Beschützer der Sonnenbarke den Großen Gott Re jede Nacht vor dem Angriff der Schlange Apophis bewahrte.
Erneut brandete Jubel auf, und ausgelassen begannen die Krieger wieder zu singen und zu tanzen.
In diesen Siegestaumel platzte ein erschöpfter Bote, der, flankiert von zwei Kriegern, vor Hori gebracht wurde. Der Mann fiel erschöpft vor dem Thronfolger auf die Knie und beugte den Rücken, bis er mit seiner Stirn den aufgeweichten Boden berührte.
»Was ist geschehen, Mann?«, fragte der Prinz gut gelaunt und sah auf den Boten herab.
»Majestät, ich bringe schreckliche Nachrichten.« Er wagte nicht, den Kopf zu heben.
Horis gute Laune legte sich und machte Platz für Verwirrung. »Steh auf und sage sie mir!«, befahl er barsch. »Wenn du mit dem Gesicht im Schlamm liegst, kann ich dich nicht verstehen. Und nenne mich nicht
Majestät
!«
Gehorsam kam der Bote dem Befehl nach, blieb aber mit gesenktem Kopf vor dem Prinzen knien. »M...M...Majestät«, stotterte er, »der Falke ist gen Himmel geflogen.« Er schluckte schwer. »Seine Majestät wurde im Krieg schwer verwundet und ist zu den Göttern gegangen.«
Entsetztes Schweigen folgte, in dem nur das Prasseln des Regens und das Grollen des Donners zu vernehmen waren.
»Was sagst du da?«, schrie Hori. »Der Pharao ist zu den Göttern gegangen? – Hast du den Verstand verloren?«
Der Unglücksbote zitterte am ganzen Körper und schüttelte den Kopf. »Nein, Majestät. Es traf ihn ein feindlicher Speer. Der Bruder Deiner Majestät, Prinz Nebu, wurde ebenfalls verwundet und ist Osiris Ramses in der darauffolgenden Nacht in den Schönen Westen gefolgt.« Erneut warf er sich dem Thronfolger zu Füßen in den Matsch und erwartete die vernichtende Reaktion des zukünftigen Herrschers.
Hori war wie versteinert. Er richtete seinen Blick auf das andere Ufer, das durch den Rauch kaum zu erkennen war. Er war unfähig, etwas zu sagen oder zu tun. Er stand nur da und versuchte, das soeben Gehörte zu begreifen.
Ramses, sein Vater, sollte zu den Göttern gegangen sein genau wie sein Bruder Nebu?
Er verstand zwar die Worte, doch ihren tieferen Sinn begriff er nicht. Sein Verstand weigerte sich vehement.
Fast mechanisch gab er dem Mann mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich entfernen durfte. Die Menschen um sich herum nahm er dabei nicht wahr. Sie alle waren geschockt wie er. Kaum einer wagte zu atmen. Die Nachricht war zu ungeheuerlich. Kemi hatte seinen Herrscher verloren und fiel gnadenlos ins Chaos.
Amunhotep standen die Tränen in den Augen, als er zu seiner Gemahlin sah. »Ramses ist tot«, flüsterte er mit erstickter Stimme und drückte Meritusir, von unsagbarem Schmerz erfüllt, an sich. »Er war mein Freund, als wir zusammen die Palastschule besuchten, und ich blieb sein Einziger Freund, als er den Thron der Beiden Länder bestieg.« Er drückte seinen Kopf an den seiner Frau.
Meritusir hörte ihn weinen. Sie wusste nicht, wie sie ihn trösten sollte, denn auch sie war
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