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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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keine Scheu haben, in das schwarze Wasser zu fahren, wenn er sieht, dass ihr euch darin aufhaltet. Aber denkt an meine Worte. Seid aus dem Wasser, bevor es zu brennen beginnt! Anderenfalls werdet ihr sterben. Habt ihr das verstanden?«
    Die Dorfbewohner nickten eifrig.
    Meritusir gab den Soldaten am Ufer ein Zeichen, die Krüge in den Fluss zu entleeren. Dann trat sie zu ihrem Gemahl. »Diese armen Menschen sind so verstört und verängstigt, dass sie alles tun würden, was man ihnen befielt.« Mitleidig sah sie zu den armseligen Gestalten, die mit ungläubigem Blick beobachteten, wie sich die Oberfläche des Wassers mit einer ölig schwarzen Schicht zu überziehen begann. Dann fuhr sie fort: »Sie haben so wenig zum Leben, obwohl sie für eines der wertvollsten Erzeugnisse der Beiden Länder die Vorarbeit tun.« Sie betrachtete die Männer, Frauen und Kinder, die fast ausnahmslos unbekleidet waren. Das hier waren die Menschen, die zur untersten Stufe der Gesellschaftspyramide gehörten. »Können wir ihnen nicht Leinen dalassen, damit die Frauen für ihre Männer einen ordentlichen Schurz und für sich selbst ein Kleid nähen können?« Bittend sah sie Amunhotep an.
    »Sicher können wir das. Ich glaube auch nicht, dass Ramses etwas dagegen hätte, doch diese Menschen sind glücklich, so wie sie leben. Wenn du ihnen einen Ballen Leinen gibst, wüssten sie gar nicht, was sie damit anfangen sollen. Sie haben alles, was sie zum Leben brauchen. Ihre Arbeit ist hart und schwer. Sie würden niemals auf die Idee kommen, sich beim Arbeiten mit einem Schurz zu bekleiden. Wenn sie am Abend nach Hause kommen, baden sie vorher im Fluss, essen das karge Mahl, das ihnen ihre Frauen zubereitet haben, und sitzen anschließend am Feuer zusammen, um zu erzählen. Sie alle wurden hier geboren und werden auch hier ihre Reise zu Osiris antreten.« Er sah lächelnd zu seiner Frau, die ihm nachdenklich zugehört hatte. »Diese Menschen kennen keinen Reichtum. Sie tun ihre Arbeit, zu der die Götter sie auserwählt haben, und leben mit dem, was ihnen das Delta und die Beamten Seiner Majestät geben.«
    »Vielleicht hast du recht, Amunhotep. Vielleicht sind sie wirklich glücklich mit dem Wenigen, das sie besitzen«, sinnierte sie nachdenklich. »Sie kennen weder Reichtum noch Intrigen. Ihre Welt scheint frei von Neid und Gier zu sein. Womöglich würde ein Ballen Leinen oder ein goldenes Amulett in ihren Herzen diese Gefühle entfachen und damit ihr harmonisches Zusammenleben gefährden.« Sie schlang die Arme um seine Hüften und schmiegte sich an seine Brust. »Trotzdem möchte ich nicht so leben wie sie.«
    Amunhotep schmunzelte und nahm ihren Kopf in seine Hände, um sie zu küssen.
    »Hohe Herrin«, störte einer der Soldaten die Intimität der beiden Priester, und Meritusir wandte ihm den Kopf zu. »Wir haben alle Krüge entleert. Die Strömung verteilt das Schwarze Blut auf dem Fluss.«
    Meritusir machte sich aus Amunhoteps Armen frei und trat an das Ufer. Soweit das Auge reichte, war der Fluss von einer dickflüssigen schwarzen Ölschicht überzogen. Sie wandte sich wieder um und trat auf Prehi zu, der ein Stück hinter ihr das Schauspiel beobachtet hatte.
    »Die Soldaten sollen sich verstecken und bereithalten, Hoheit. Wenn der Großteil der feindlichen Schiffe in dem schwarzen Wasser ist, sollen es die Bogenschützen in Brand setzen.« Sie sah zu Hori, der hinzugetreten war und ihr aufmerksam zuhörte. »Beten wir zu den Göttern, dass genug ihrer Schiffe in Brand geraten, sodass ihnen die Lust vergeht, es an anderer Stelle erneut zu versuchen.«
    Die beiden Prinzen waren gleicher Meinung und riefen die Befehle ihren Männern zu, die sich daraufhin schleunigst hinter den Erdwällen versteckten.
    Meritusir eilte wieder zu Amunhotep.
    Zusammen begaben sich die beiden Priester mit dem Bruder und dem Sohn des Königs in eines der Verstecke, von wo aus sie einen ausgezeichneten Blick über den Flusslauf hatten. Die Dorfbewohner hingegen gingen ihrer gewohnten täglichen Arbeit nach.
    Die Zeit tröpfelte dahin.
    Als endlich die ersten vier Schiffe um die Flussbiegung kamen, hielten alle gespannt die Luft an.
    Selbst aus dieser Entfernung konnte Meritusir die erstaunten und argwöhnischen Rufe der fremdländischen Krieger hören, als sie des schwarz verfärbten Wassers ansichtig wurden. Als sie jedoch die Papyrusschneider bemerkten, die bis zum Bauch in dieser dunklen Brühe standen und bei ihrem Anblick angstvoll schreiend die Flucht

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