Die Strafe des Seth
wich alsbald Empörung. »Was willst du damit andeuten, Sethherchepeschef? Bin ich dir Rechenschaft über mein Handeln schuldig?« Sie atmete schwer, ihr Blick war wütend.
Abwehrend hob Sethi die Hände. »Warum so aufgebracht, liebe Nubchesbed. Es ist nur etwas ungewöhnlich, dass sich Nehi mit dir einen Tag nach dem Bekanntwerden von Ramses’ Tod in deinen privaten Gemächern trifft.«
»Was sollte daran ungewöhnlich sein?«, begehrte die Königsmutter auf. »Befürchtest du, Nehi oder ich wollen Hori die Regentschaft streitig machen?«
»Mitnichten, liebe Nubchesbed, mitnichten ...«
»Und nenne mich nicht immer
liebe Nubchesbed
!«, fuhr sie aufgebracht ihm ins Wort.
»Wie du willst.« Sethi grinste amüsiert. »Aber da du es gerade selbst angesprochen hast: Der Horusthron ist verwaist, während Hori im östlichen Delta weilt. Du hingegen bist eine Frau und auch nicht mehr so stark wie einst, als mein Bruder noch die Doppelkrone trug. Nehi ist zwar Pharaos oberster Beamter; dennoch ist er nicht dazu berufen, die Regentschaft zu übernehmen.« Er machte eine Pause und musterte Nubchesbed. »Deshalb wollte ich dir mitteilen, dass ab heute
ich
das für Hori übernehmen werde, denn ich bin der einzige Prinz in Per-Ramses, der vom Alter und Wissen her dazu imstande ist. Kehrt Hori aus dem Krieg zurück, werde ich natürlich sofort weichen und ihm seinen rechtmäßigen Platz überlassen.«
Ungläubig starrte Nubchesbed ihn an. »Du willst was?«, kreischte sie. Ihre Stimme überschlug sich fast.
»Die Regentschaft in Horis Abwesenheit übernehmen. Und nun rege dich nicht unnötig auf. Ich glaube kaum, dass es irgendetwas dagegen einzuwenden gibt. Ich bin einundvierzig Jahre alt und somit der älteste und erfahrenste unter den Prinzen am Hofe. Tanis Sohn ist erst acht, und Merenptah hat trotz seiner einunddreißig Jahre nie etwas anderes getan, als sich um Ramses’ Sicherheit oder die seiner Familie zu kümmern – was man ihm natürlich hoch anrechnen muss. Er besitzt aber keinerlei Erfahrungen mit Regierungsgeschäften.«
»Ach, aber du?« Nubchesbed lachte sarkastisch auf. »Du hast dich doch stets um diese Dinge gedrückt, Sethi. Nur weil du dich in den letzten Jahren dafür zu interessieren begonnen hast, bist du noch lange kein so erfahrener Beamter wie beispielsweise der Wesir.«
»Täusche dich nicht in mir, Nubchesbed. Ich hatte viel Zeit und sehr gute Lehrer. Ich habe viel dazugelernt, und deshalb werde ich mich ab heute um das Wohl der Beiden Länder kümmern. Ich hoffe, du kommst mir dabei nicht in die Quere.« Er stand abrupt auf und stolzierte schmunzelnd zur Tür, ohne auf eine Erwiderung der alten Königin zu warten.
»Du Thronräuber!«, schnaubte Nubchesbed. »Ich hatte mit meinen Befürchtungen also recht. Mein Sohn hat sich von dir einwickeln lassen, und nun ist er tot.« Zutiefst betrübt schlug sie die Hände vors Gesicht. Tränen der Wut und der Verzweiflung traten ihr in die Augen.
Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, begann sie fieberhaft zu grübeln, was sie tun könne, um Sethherchepeschef von der Macht fernzuhalten. Als ihr nichts einfallen wollte, begab sie sich zu Isis, doch die Große Königliche Gemahlin hatte kein Ohr für ihre Probleme.
»Es geht um den Thron der Beiden Länder, Isis, den Thron, der deinem Sohn gehört«, herrschte Nubchesbed sie an. »Willst du tatenlos zusehen, wie sich Sethi die Doppelkrone nimmt?«
Sie konnte zu Isis nicht durchdringen. Diese hatte sich in ihrem Schmerz um den Verlust ihres Gemahls und ihres Sohnes vergraben und schien alles andere um sich herum nicht wahrzunehmen.
Erbost gab Nubchesbed auf und kehrte in ihre Gemächer zurück. Dort trug sie ihrem Haushofmeister auf, den Wesir zu holen, der in der Zwischenzeit zu Sethherchepeschef befohlen worden war.
Sethi teilte dem überraschten Nehi mit, dass ab sofort er, der Prinz, die Geschäfte für den abwesenden Regenten übernehmen würde.
Nehi sagte kein Wort, denn Sethi war ein Spross des zu Osiris gegangenen Ramses III. und der Großonkel des Regenten. Er erinnerte sich aber seiner Unterhaltung mit Nubchesbed und beschloss, fortan ein wachsames Auge auf den Prinzen zu haben.
* * *
Chaemwaset kehrte Anfang des dritten Monats der Ernte in die Königsstadt zurück und übergab die sterblichen Hüllen von Ramses und Nebu den Einbalsamierern. Man hatte ihre Körper in Holzkisten gelegt und komplett mit Natron bedeckt, damit die Verwesung der Leiber gestoppt wurde. Die
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