Die Strafe des Seth
Trauer noch nicht vorbei.«
»Ja, Vater, das ist mir bewusst, doch ich
muss
ins Königstal.« Bittend sah sie ihn an. »Du kennst mich, und du weißt, wer und was ich bin. Glaubst du, ich würde etwas Verbotenes tun? Und um Moses brauchst du dir auch keine Gedanken zu machen. Er ist deinem Sohn und mir treu ergeben. Er hat Ramses verehrt, und er achtet die Maat und die Götter.«
»Das mag schon sein.« Nesamun betrachtete die Gemahlin seines Sohnes, die verlegen seinem Blick auswich. »Du scheinst aber auch nicht gewillt zu sein, mir zu sagen, was du dort willst«, stellte er fest, und Meritusir zuckte mit den Schultern.
»Es ist besser, wenn es bis auf mich und Moses niemand weiß. Dann kann es auch niemand ausplaudern.«
»Denkst du, ich würde es tun?« Bedächtig strich sich Nesamun über seinen kahl rasierten Schädel. »Wenn ich dir die Erlaubnis erteile, verstoße ich gegen die Maat, was die Götter mir in deinem Fall vielleicht verzeihen würden, da du eine Auserwählte bist, aber Moses ...?« Grübelnd wiegte er den Kopf.
Beschämt sah Meritusir zu Boden. »Verzeih, Vater. Ich wollte dich nicht kränken. Ich vertraue dir voll und ganz.« Sie starrte auf die Fliesen zu ihren Füßen und scharrte verlegen mit den Zehen in ihren Sandalen. »Ich habe Angst, dass etwas Schreckliches passieren wird«, hob sie zögerlich an. »Deshalb will ich dafür Sorge tragen, dass die Götter Amunhotep, meinen Sohn und mich finden können, wenn wir gestorben sind.« Sie hob wieder ihren Blick zu Nesamun. »Der Zugang zum dritten Gang ist nur mit einer gemauerten Wand verschlossen. Sie ist fertig, aber noch nicht bemalt. Ich will sie öffnen, damit Moses unsere drei Namen in den dahinter befindlichen Felsen meißeln kann. Anschließend werden wir die Wand wieder verschließen. Niemandem wird auffallen, dass etwas verändert wurde.«
»Hast du vergessen, dass dieses Grab aufgegeben wurde, weil die Gesteinsschichten unsagbar hart sind?«
Meritusir stand wie vom Donner des Großen Gottes Seth gerührt da und starrte Nesamun an. »Bei Osiris«, stotterte sie verwirrt, »daran habe ich nicht gedacht.«
Sie schluckte bestürzt, während sich ihre Gedanken überschlugen. Wie sollte Moses die heiligen Zeichen in den Felsen einmeißeln, wenn dieser sogar den harten Schlägen der Steinhauer widerstanden hatte?
Plötzlich kam ihr eine Idee, und ihre Augen leuchteten auf.
»Es reicht sicher auch, wenn man sie niederschreibt.«
»Das stimmt, doch soweit mir bekannt ist, ist Moses Steinmetz ...«, merkte Nesamun an.
»Richtig, Vater. Trotzdem ist er der heiligen Zeichen mächtig und kann sie mit einem Pinsel auf das Gestein schreiben«, platzte Meritusir ihm ins Wort, errötete und entschuldigte sich für ihre Taktlosigkeit.
»Glaubst du, er hat das Zeug zum Mauern?«, führte Nesamun seinen Gedanken zu Ende.
»Das weiß ich nicht, aber ich kann es.«
Überrascht riss Nesamun die Augen auf und starrte Meritusir verwundert an. »Du selbst willst die Wand wieder zumauern? Hast du das schon einmal gemacht?«
Sie lächelte. »Mehr als nur ein Mal. – Bitte, Vater, erteile Moses und mir die Erlaubnis, das Königstal zu betreten. Ich bin Vorsteher der Königlichen Bauarbeiten Seiner Majestät, und Ramses hat ein Haus für die Ewigkeit im Königstal. Niemand wird Anstoß daran nehmen, wenn du es mir gestattest.«
»Es ist dir ernst mit dem, was du vorhast. Habe ich recht? Dann soll es auch so geschehen. – Weiß mein Sohn davon?«
»Nein. Amunhotep befindet sich auf dem Weg ins Delta. Sethherchepeschef hat ihn ohne Angabe von Gründen nach Per-Ramses befohlen. Ich hingegen bin zwei Tage später nach Theben aufgebrochen.«
»Gut, Meritusir. Morgen erhältst du von mir die Schriftrolle, die euch beide befugt, das Tal zu betreten. – Wo wirst du während deines Aufenthaltes wohnen?«, wechselte Nesamun das Thema.
»Ich weiß noch nicht. Ich könnte Amunhoteps Anwesen beziehen, aber ich reise schon bald wieder ab und ...«
»... du würdest in dieser Zeit lieber hier bei mir im Tempel bleiben«, beendete Nesamun ihren Satz.
Dankbar sah Meritusir ihm in die Augen. »Ja, Vater, das wäre schön.«
»Es sei dir und deiner Dienerschaft erlaubt. Ich freue mich, dich in meiner Nähe zu haben. Seit meine liebe Frau gestorben ist, ist es sehr ruhig im Haus geworden.« Er lächelte betrübt.
»Danke, Vater.« Meritusir trat auf Nesamun zu und umarmte ihn. »Das werde ich dir nie vergessen.«
Am kommenden Morgen überbrachte
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