Die Strafe des Seth
Nesamuns persönlicher Schreiber die Rolle, die Meritusir und Moses berechtigte, das Tal der Könige zu betreten.
Sofort begaben sich die beiden in Begleitung von Meritusirs Leibwächter Maiherperi zu diesem geheiligten Ort, wo seit Jahrhunderten die Pharaonen und deren engste Familienangehörige bestattet wurden.
Am Zugang zum Königstal wurden sie von den wachhabenden Soldaten aufgehalten. Mit bärbeißigem Blick erkundigte sich der Hauptmann nach ihrem Begehr, während seine Untergebenen die Frau und die beiden Männer nicht aus den Augen ließen.
Meritusir reichte ihm die Schriftrolle, die er aufmerksam las. Als er keine Unregelmäßigkeiten feststellen konnte, gab er sie der Priesterin zurück und ließ sie und den jungen Steinmetz passieren.
Maiherperi machte es sich in der Zwischenzeit im Schatten eines Felsvorsprungs bequem, um auf seine Gebieterin und den Diener zu warten.
Als Meritusir und Moses in die stickige Abgeschiedenheit des geheimen Tals traten, blieb Moses ein Stück hinter seiner Herrin zurück. Der junge Mann schien schlicht überwältigt. Er hatte es sich sicher nie träumen lassen, diesen heiligen Ort betreten zu dürfen, der unter dem Schutz der Göttinnen Hathor und Meretseger stand. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund stolperte er Meritusir hinterher, für die dieser Anblick zwar nicht neu, aber dennoch atemberaubend war.
Die steil aufragenden, zerklüfteten Felsen, in denen die mächtigen Pharaonen in ihren prachtvollen Häusern der Ewigkeit ruhten, waren Ehrfurcht gebietend. Seit Jahrhunderten hatten unzählige Handwerker im Schweiße ihres Angesichts riesige Grabanlagen in ihrem Inneren ausgeschachtet. Es war ein Schatzhaus, das seinesgleichen suchte. Im Bauch der Felsen ruhten Goldvorräte, die unbeschreiblich waren, doch nur Meritusir wusste, dass sie es nicht für die Ewigkeit tun würden.
»Komm, Moses!«, ermahnte sie den jungen Mann mit einem Blick über die Schulter. »Wir müssen vor Einbruch der Dunkelheit fertig sein; anderenfalls werden die Wachen misstrauisch und sehen nach uns.«
Gehorsam riss Moses den Blick von den Felsen und folgte ihr.
»Ist es noch weit?«, fragte er.
»Nein. Wir sind gleich da.« Meritusir wies auf einen unscheinbaren Eingang im Felsmassiv.
Nachdem sie den Zugang erreicht hatten, traten sie in das dunkle Innere des ersten Korridors. Moses holte die beiden Öllampen hervor und entzündete sie. Eine reichte er Meritusir, die andere nahm er in die Hand. Dann stiegen sie den leicht abfallenden Gang bis zu seinem Ende hinab und begannen mit ihrer Arbeit.
Vorsichtig entfernten sie den Mörtel aus den Fugen der obersten Steinlage, um die Ziegel zu lösen. Wie sich herausstellte, hatten die Handwerker sehr gute Arbeit geleistet. Nur mit Mühe gelang es Moses und Meritusir, den ersten Ziegel aus dem Mauerverbund zu lösen.
Du meine Güte, dachte Meritusir, das grenzt ja schon beinahe an deutsche Wertarbeit.
Ihr brannte der Schweiß in die Augen, und das Kleid klebte ihr am Körper. Im Stillen schalt sie sich, dass sie sich nicht bequemere Kleidung mitgenommen hatte.
Sie sah zu Moses, der sich schon nach kurzer Zeit seines Schurzes entledigt hatte, und nun splitternackt neben ihr arbeitete. Kurz überlegte sie, ob sie es ihm gleichtun sollte, ließ es dann aber bleiben. Ihr Kleid war so oder so beschmutzt. Sicher würden sich die Wachen am Zugang zum Tal fragen, was sie getrieben hatte, doch das war ihr im Moment einerlei.
Sie umfasste ihren Meißel fester und widmete sich wieder der schweißtreibenden Plackerei.
Nach mehr als zwei Stunden hatten sie es endlich geschafft. Unterhalb der Decke klaffte eine kleine Öffnung, die groß genug war, dass sich Moses hindurchzwängen konnte.
»Und achte genau darauf, dass du keinen Schreibfehler machst«, schärfte sie ihm ein, bevor sie ihm half, durch das Loch in der gemauerten Wand zu kriechen. Dann reichte sie ihm Lampe, Pinsel und Farbe und betete, dass alles gut gehen würde
»Es ist ziemlich eng hier drin«, hörte sie dumpf seine Stimme aus der beklemmenden Dunkelheit des kleinen Hohlraums hinter der Wand tönen und erschauerte.
»Wird es dennoch gehen?«
Moses bejahte.
Als er schweißgebadet und keuchend wieder vor ihr stand, musterte sie ihn genau. »Hast du unsere Namen auch wirklich richtig geschrieben?«
»Ja, Herrin.« Er schmunzelte verschmitzt. »Ich habe den meines Gebieters und all seine Titel aufgezeichnet, deinen Namen, Herrin, und den eures Sohnes, so wie du es mir
Weitere Kostenlose Bücher